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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

DOI Heft:
Heft 6 (2. Dezemberheft 1918)
DOI Artikel:
Troeltsch, Ernst: Das Ende des Militarismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0211

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Das ist der erste ganz deutliche und greifbare Punkt in der Nacht, die
uns umgibt. Deutlich ist auch die Folge, die sich daraus ergibt und die
darum den zweiten, ganz klaren Punkt bedeutet: eine Restauration mit
Hilfe des Militärs auf der alten militärischen Grundlage ist unmöglich.
Irgendwann und irgendwie kommt natürlich wieder die Ordnung und ein
Rechtsverhältnis. Aber es wird unter allen Amständen dem alten sehr
unähnlich sein. Finanzielle und politische Gründe machen ein Heer von
der alten Ausdehnung und Art für jede absehbare Zeit völlig unmöglich.
Auch höhere Militärs haben das schon lange gesehen und in Zukunft
nur mehr eine Art Miliz für möglich gehalten. Die politische Macht-
stellung des Militärs ist überdies durch die unter allen Ämständen sichere
Zertrümmerung des alten preußischen Landtages und durch die zu erwar-
tende Schwächung des Grundbesitzertums völlig ausgeschlossen. Die Auf-
richtung des alten Verhältnisses von Mannschaft und Offizierskorps ist
vollends psychologisch und sozial unmöglich geworden. Das Friderizianische
System ist in jeder Hinsicht zu Ende. Dann aber gibt es auch
unter keinen Amständen eine Restauration durch das Militär; jeden-
falls nicht durch unser eigenes; ein restaurierender Eingrifs der Entente
würde ganz selbstverständlich nicht das alte System, sondern die De-
mokratie herstellen.

Schalten wir diesen letzten schrecklichsten, wenn auch nicht unmöglichen
Gedanken einmal aus und glauben wir an eigene Kraft zur Wieder-
herstellung, dann ergibt sich aus den beiden hervorgehobenen klarcn Punk-
ten eine Reihe weiterer Folgerungen, die ich für heute nur andeuten
möchte. Es gibt eine Rettung nur durch die Grundsätze der reinen Demo-
kratie, nachdem eine Reform und Fortbildung des bestehenden RechteS
und der Institutionen zuerst von der herrschenden Klasse verweigert und
dann von der Revolution unmöglich gemacht worden ist. Nur das Majori-
tätsprinzip der reinen Demokratie kann uns mit Hilfe einer National-
versammlung, die erst uns den Äberblick über die wirkliche Kräftevertei-
lung gibt und neben der Diktatur des Proletariats die übrigen Gruppen
wieder zum Vorschein bringt, aus dem Provisorium und aus der
Gefahr des Chaos retten. Es gibt keinen andern Weg und keine
andere Hilfe. Wenn bei den Soldaten, wie es scheint, nicht irgendein
sozialistischer Parteigeist, sondern der Wille zu gerechter Neuordnung
herrscht, dann können auch sie nur auf diese Lösung lossteuern und sie
erleichtern oder herbeiführen. Darauf muß Bürgertum und Arbeiterschaft
des Geistes sich entschlossen, grundsätzlich und klar einstellen. Alles andere
ist unmöglich, jede andere Erwartung würde uns zur Antätigkeit und
Träumerei und damit vielleicht zum Nntergang verurteilen. Die Dinge
durchdenken und klare Folgerungen für die Zukunft daraus ziehen lernen,
das ist jetzt die dringende, eilige und umfassende Aufgabe. Die Bequem-
lichkeit und Trägheit, die unverantwortliche Phantasterei und die ästhetische
Sensation, der Appetit auf das Interessante und Geistreiche, die bloß
reflektierende Zurechtlegung: alles das muß zu Ende sein. Vor allem
aber muß das politische Denken sich eng verbinden mit sozialen Kennt-
nissen und sozialen Reformideen; denn eine lediglich politische Demokratie,
die nur Grundsätze und Formen verwirklicht, hat ganz und gar keinen
Sinn und keine Wirkung. Vermögensverzichte und Landaufteilungen werden
in weitestem Maße nötig sein. Es muß die Grundlage einer neuen
Existenz mit möglichst viel Besitzenden geschasfen werden. Das allein gibt

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