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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,2.1919

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Heft 12 (2. Märzheft 1919)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14376#0191

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Nöte wir beseitigen wollen. Erst aus
solchem mühsamen Lernen kann sich
mit dem reinen Willen zur Zukunft
die Erkenntnis der Zukunftsgestaltung
«rheben und des Zukunftsweges für
gerade diese Menschen und diese Ge--
meinschaften.

Es gibt einen ähnlichen Irrtum in
der Religion. Von einer innern Ge-
wißheit Gottes fühlt sich der Mensch
beherrscht. Weil er so unbedingt ge«
wiß ist, daß er Gott fühlt und sein
Wesen ahnt, glaubt er, auch seine Ge-
danken über Gott und Gottes Wesen
seien mit Lerselben Gewißheit verbun--
den. So wird er unduldsam gegen
andere Gedanken von Gott. Wie kann
hinter ihnen der Glaube stehen, der
«ben doch die Gedanken schafft, die ich
habe? Es gehen aber sehr verschiedene
Gedanken aus echtem frommem Emp°
finden hervor je nach den Unterschie-
den der Lebensstellung, der Bildung,
des Wissens und der Welterfahrung.
Das zu erkennen ist die einzige Mög--
lichkeit, aus aller Unduldsamkeit zn
wirklich religiöser Gemeinschaft zu
kommen, in einem Volke, das sich nicht
in religiösen Formen, sondern in eige--
nem religiösen Schaffen innerlich aus--
lebt.

Wir dürfen uns nicht genügen lassen
an öem Gefühl, daß wir das Gute
wollen. Wir müssen das Gute auch
lernerr, das draußen in der Welt
unserm guten Willen wirklich zur Ge°
staltung helfen kann. Es gibt mehr
Liebknechte, die Deutschland verwirren,
als man ahnt, und an Stellen, wo
man sie nicht sucht. „Solche Dinge
sind Gefühlssache", sagte Ludendorff,
als er gefragt wurde, ob er wirklich
an den Sieg der Unterseeboote glaube.
„Solche Dinge sind Gefühlssache", das
hätte vielleicht auch Liebknecht auf die
Frage geantwortet: Glaubst du wirk-
lich, daß du mit deinen spartakisti-
schen Gedanken unser Volk zur Glück-
seligkeit führen kannst? Gefühlssache
ist aber nur unsre Aberzeugung, daß
wir das Gute wollen. Weltgestaltung
ist nicht Gefühlssache, sondern Ergeb-
nis harter Tatsachen, die wir wissen
und kennen müssen, ehe wir Gutes
durch sie und über sie hinaus verwirk-
lichen können. Wo sind aber die Par-
teien, in deneu eS baraufhin angesehen

keine Liebknecht« gibt? Wie viele gibt
es überall, die sich auf ihr Gefühl
einstellen und sich von Tatsachen nicht
belehren lassen wollen! Das ergibt
dann die hartköpfig«, trotzige Volks-
zersplitterung.

Sie kann überwunden werden, in-
dem wir ehrlich miteinander ringen,
wahrhaftig uns zu belehren suchen,
miteinander die Tatsachen, Verhältnisse,
geistigen Kräfte und Bedürfnisse des
deutschen Volkslebens prüfen, vonein-
ander in allem eifrigen Streiten lernen
wollen. So überwinden wir das Lieb-
knechttum und werden ein Volk geisti-
ger Gemeinsamkeit. Wir brauchen den
guten Willen, der wirklich gute Wille
träumt und phantasiert nicht, er sucht
die Tatsachen und bezwingt sie.
Eisenach Emil FuchS

Links und Rechts

»ubekümmert um die furchtbare
-4-4-außenpolitische Lage des Reiches
und höchstens ihre Aufregungen sür
den inneren Kampf ausnützend, gehen
die „Querelles allemandes" ihren Weg
weiter. Es befestigt sich eine Mitte,
die im wesentlichen aus der alten
Reichstagsmehrheit besteht, nur daß sie
gegen früher außerordentlich verstärkt
ist. Diese Mitte trägt naturgemäß den
Eharakter aller parlamentarischen Re-
gierungen und Majoritäten der Welt,
Aberwiegen der Parteigrößen und Be-
rufspolitiker, Beuteverteilung in dem
Amterschacher und der Ministerbe-
setzung, wo nötigenfalls ueue Mini-
sterien trotz der Finanznot geschaffen
werden, parlamentarische Kämpfe mit
Minderheiten, wesentlich bürgerlicher
Charakter der Selbsterhaltung der Ge-
sellschaft. Daran können auch die So°
zialdemokraten nicht sehr viel äirdern,
da die demokratische Politik die gemein-
same Grundlage aller ist und auch sie
an der Erhaltung einer produktions-
fähigen G-sellschaft vor allem interes-
siert sind. Iedes Regierungssystem hat
eben seine schwachen Seiten, und wer
von dem alten nicht erbaut war, hat
nun Gelegenheit, von dem neuen auch
nicht erbaut zu sein. Der große mo-
ralische Aufschwung, den mancher er-
wartet hat, fehlt — an seiner Stelle
findet sich nur die Technik eines parla-
mentarischen Regierungsshstems mit
 
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