Münchner Neue Secession 1928
A. H. PELLEGRINI—BASEL
Chancen für ihn liegen; das Unmittelbare, das
Abgewogene, der farbige Geschmack und die
Entschiedenheit des Blicks stehen bei diesem
Bildnis in einem guten und versprechenden
Verhältnis. Die Aufgabe des Bildnisses be-
schränkt zwar den dichterischen Impuls, in dem
der elegisch-idyllische Teutsch so gern zuhause
ist; aber vielleicht weckt das Porträt dafür neue
Kräfte. Unold bezeugt in einigen trefflichen
Bildnissen und landschaftlich - genrehaften
Stücken gewisser als je die Höhe der erreichten
Meisterschaft. Ich bekenne gern, daß seine
Stücke mir unter den Arbeiten der Münchner
der mittleren Generation die liebsten sind.
Wann wird amtliche Öffentlichkeit, sei es in
München, sei es anderswo, begreifen, daß sie
diesem Mann das Lehramt schuldet, zu dem
ihn nicht nur die Reife seiner Malerei, sondern
auch die Überlegenheit seiner didaktischen
Intelligenz berufen macht? Es ist ein schweres
Unrecht, die Lehrkraft eines Unold und übrigens
auch die einesTroendle demNachwuchs, derver-
zweifeltnach Orientierung sucht, vorzuenthalten!
Kopp bestätigt sein Talent mit einem Bild, das
eine Situation in der IV. Eisenbahnklasse schwer-
mütig genug dartut; Gött, auch keiner von den
Leichten, sehr offenbar der Verantwortungen
des Talentes sich bewußt, ist im Figürlichen
wie im Landschaftlichen vielleicht nicht ganz
«reüssiert", aber hier wie dort anziehend; seine
Innigkeit ist seine Stärke. Lauterburg hat
neue Spezimina seiner zuweilen von einem
GEMÄLDE »JUGEND«
erschreckenden Naturalismus getragenen Gera-
nien (auf dunklem Grunde) und seiner bizarren
Phantasien geschickt; sein kleiner Saal gehört
zu den intensivsten, wesentlichsten, schönsten
Stellen der ganzen Schau. Überflüssig, über Gul-
bransson Worte der Anerkenntnis zu sagen;
seine Kurve ist klassisch. Bleiben etwa Willi
Geiger und Eberz. Es liegt mir fern, ihnen den
Kampf erschweren zu wollen, den sie wie alle
Künstler heute, gerade in München, zu führen
haben. Aber es ist mir nicht erlaubt, gegen mein
Gewissen (das übrigens die Stimme eines Einzel-
nen ist) zu verschweigen, daß Geiger mir aus der
Sphäre des Problematischen, Eberz aus der
Sphäre des Mystagogisch - Dekorativen noch
immer nicht herausgetreten zu sein scheinen.
Das außergewöhnliche Talent beider Künstler
ist damit nicht angezweifelt; problematisch ist
nur die Orientierung der Begäbung.
Es fehlt dieser Ausstellung nicht an einigen
Namen, die etwas zu verheißen scheinen —
neueren Namen, jüngeren Namen. Dahin rechne
ich vor allem den Namen Achmann. Dieser
Münchner (der nach dem Lebensalter freilich
schon der mittleren Generation zugehört) scheint
nun, nach Jahren der Selbstpeinigung, mit einem
Male in gewissem Maße fertig; das sozusagen
„ Neusachliche " ist hier stärker und mannigfacher
als etwa bei den beachtenswerten Arbeiten
eines Schrimpf, einer Erna Dinklage ins
Differenziert-Malerische und damit in die beste
Münchner Überlieferung zurückgebunden; ich
9
A. H. PELLEGRINI—BASEL
Chancen für ihn liegen; das Unmittelbare, das
Abgewogene, der farbige Geschmack und die
Entschiedenheit des Blicks stehen bei diesem
Bildnis in einem guten und versprechenden
Verhältnis. Die Aufgabe des Bildnisses be-
schränkt zwar den dichterischen Impuls, in dem
der elegisch-idyllische Teutsch so gern zuhause
ist; aber vielleicht weckt das Porträt dafür neue
Kräfte. Unold bezeugt in einigen trefflichen
Bildnissen und landschaftlich - genrehaften
Stücken gewisser als je die Höhe der erreichten
Meisterschaft. Ich bekenne gern, daß seine
Stücke mir unter den Arbeiten der Münchner
der mittleren Generation die liebsten sind.
Wann wird amtliche Öffentlichkeit, sei es in
München, sei es anderswo, begreifen, daß sie
diesem Mann das Lehramt schuldet, zu dem
ihn nicht nur die Reife seiner Malerei, sondern
auch die Überlegenheit seiner didaktischen
Intelligenz berufen macht? Es ist ein schweres
Unrecht, die Lehrkraft eines Unold und übrigens
auch die einesTroendle demNachwuchs, derver-
zweifeltnach Orientierung sucht, vorzuenthalten!
Kopp bestätigt sein Talent mit einem Bild, das
eine Situation in der IV. Eisenbahnklasse schwer-
mütig genug dartut; Gött, auch keiner von den
Leichten, sehr offenbar der Verantwortungen
des Talentes sich bewußt, ist im Figürlichen
wie im Landschaftlichen vielleicht nicht ganz
«reüssiert", aber hier wie dort anziehend; seine
Innigkeit ist seine Stärke. Lauterburg hat
neue Spezimina seiner zuweilen von einem
GEMÄLDE »JUGEND«
erschreckenden Naturalismus getragenen Gera-
nien (auf dunklem Grunde) und seiner bizarren
Phantasien geschickt; sein kleiner Saal gehört
zu den intensivsten, wesentlichsten, schönsten
Stellen der ganzen Schau. Überflüssig, über Gul-
bransson Worte der Anerkenntnis zu sagen;
seine Kurve ist klassisch. Bleiben etwa Willi
Geiger und Eberz. Es liegt mir fern, ihnen den
Kampf erschweren zu wollen, den sie wie alle
Künstler heute, gerade in München, zu führen
haben. Aber es ist mir nicht erlaubt, gegen mein
Gewissen (das übrigens die Stimme eines Einzel-
nen ist) zu verschweigen, daß Geiger mir aus der
Sphäre des Problematischen, Eberz aus der
Sphäre des Mystagogisch - Dekorativen noch
immer nicht herausgetreten zu sein scheinen.
Das außergewöhnliche Talent beider Künstler
ist damit nicht angezweifelt; problematisch ist
nur die Orientierung der Begäbung.
Es fehlt dieser Ausstellung nicht an einigen
Namen, die etwas zu verheißen scheinen —
neueren Namen, jüngeren Namen. Dahin rechne
ich vor allem den Namen Achmann. Dieser
Münchner (der nach dem Lebensalter freilich
schon der mittleren Generation zugehört) scheint
nun, nach Jahren der Selbstpeinigung, mit einem
Male in gewissem Maße fertig; das sozusagen
„ Neusachliche " ist hier stärker und mannigfacher
als etwa bei den beachtenswerten Arbeiten
eines Schrimpf, einer Erna Dinklage ins
Differenziert-Malerische und damit in die beste
Münchner Überlieferung zurückgebunden; ich
9