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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 63.1928-1929

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Born, Wolfgang: Ein Jubiläums-Buch der Wiener Werkstätte
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https://doi.org/10.11588/diglit.9253#0371

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EIN JUBILÄUMS-BUCH DER WIENER WERKSTÄTTE

Das fünfundzwanzigste Jahr ihres Bestan-
des gab der Werkstätte Anlaß, von ihrem
bisheriges Wirken in einer Publikation Zeugnis
abzulegen. Ein Buch: das bedeutete für Josef
Hoffmann die Stellung eines Formproblems.
Literatur liegt ihm fern; dem Architekten wan-
delt sich das Wort zum Schriftbild, dessen In-
halt, über die Lettern wachsend, zur sinnfälligen
Gestaltung aufruft. Der ingeniöse Geist, der
vom Hochhaus bis zur Teeschale alle Aufgaben,
die sich ihm boten, im Sinne seiner höchst per-
sönlichen Dekoration neugeschaffen hatte, ent-
deckte auch seine eigene Typographie.

Hoffmanns Phantasie — darin dem Gestal-
tungsprinzip des toten Freundes Gustav Klimt
innig verwandt — geht von der Fläche aus.
Line Buchseite ist für ihn zunächst ein Ganzes,
ein weißes Rechteck, von dem sich die schwarz-
weißen Laufbänder der Zeilen und die vielfältig
getönten Illustrationen abheben.

Das geistige und optische Material, Abbil-
dungen und Text, ist gegeben; oder besser ge-
sagt: steht zur Verfügung. Denn es muß sich
zunächst einmal die rücksichtsloseste Sichtung

gefallenlassen. Abgekürzt zur knappen Legende,
geprägt zum Zitat, gelegentlich nur und sparsam
zu Prosagebilden von größerem Umfang zusam-
mengeschlossen, stehen die Sätze im Gefüge
einer übergeordneten Organisation, die zwar
dem Wortsinne ihre assoziative Entstehung ver-
dankt, aber, zur Herrschaft erhoben, die Druck-
schrift auf eine ornamental bedingte Rolle ein-
schränkt. Ebenso verhält es sich mit den Bil-
dern. Sie, die den Wesenskern der Publikation
ausmachen, gehen bescheiden in das souveräne
Schema ein. Keineswegs (und das ist das hohe
Verdienst des Werkes) handelt es sich dabei
um eine Unterdrückung der sachlichen Bedeu-
tung dargestellter Dinge durch eine von außen
hinzugetragene Konstruktion. Denn es ist der
Geist des Kunstgewerbes in dem Sinne der
Wiener Werkstätte, der ebenso die Gestalt der
Objekte bestimmt hatte wie er für den Stil ihrer
photographischen Wiedergabe maßgebend war
und nun die zunächst widerstrebenden Elemente
bildnerisch zusammenwachsen läßt.

Es galt — dies möge man sich vor Augen
halten — die Leistung einer Gemeinschaft zu

XXXII. Februar 1929. 7
 
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