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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 63.1928-1929

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Die Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9253#0024

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hans
gott
badende
mädchen

DIE KUNST sucht immer das Ungeheuerste
an Erfrischung des Lebens, und sie findet
immer wieder das, was das mittlere Dasein
stützt und sichert. Das Schaffen gerade der
Ungewöhnlichen wird in seinen Anfängen fast
immer als ein Luxus, als ein ärgerliches Wagnis
empfunden; aber nach kurzer Zeit wird es zur
Lebensstütze gerade derer, die an ihm Anstoß
genommen haben. Denn auch das kümmer-
lichste, das kleinste Dasein lebt vom Äußersten,
möge man dieses den Geist, möge man es das
Göttliche oder das Gefährliche nennen. Nur
kann es dieses Äußerste nicht frisch von der
Quelle trinken; es braucht den Vermittler, es
braucht die sänftigende Zeit. Viele ziehen heute
geistige Nahrung aus Gedichten und Bildern,

deren Urheber ihnen bei lebendiger Begegnung
ein Schrecken, ein Wunder, ein Ärgernis ge-
wesen wären. Da sich aber die Zeit begütigend
und euphemistisch umstilisierend dazwischen
gestellt hat, wird das Gefährliche zur Segnung,
der Ausdruck des Leidens zu einer Quelle der
Lust und der Lebensstärkung. Der unmittel-
bare Geist hat auf Erden, besonders im Künstler,
fast immer ein tragisches Schicksal; die ganze
furchtbare Spannung, die zwischen dem Geist
und dem Irdischen besteht, kommt darin in
mancherlei Form zum Ausdruck, als Verken-
nung, als Vereinsamung, als Verfolgung. Aber
immer lernt das Leben nach einiger Zeit sich
das Große, Gefährliche und Unmittelbare an-
zueignen und sich davon zu nähren. . . . w. m.
 
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