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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 63.1928-1929

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Schüttel, Lothar: Venezianische Gläser: in der Ausstellung "Glas und Blume" der Deutschen Werkstätten A. G.
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https://doi.org/10.11588/diglit.9253#0082

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VENEZIANISCHE GLÄSER

in der ausstellung »glas und blume« der deutschen werkstätten a.g.

Ein glücklicher Einfall, in einer Ausstellung
die Harmonie zu zeigen, die Glas und Blume
verbindet. Nicht, als ob man einer Modewelle
den Weg hätte bereiten wollen, oder als ob man
um einer Laune willen die bunten Werke der
Keramik zu Gunsten der Glasvase verbannen
möchte. Der Ausstellung lag nur die Absicht
zu Grunde, künstlerische Glasarbeiten für sich
und aus sich selbst heraus wirken zu lassen.

Da gibt es Gläser, die wie ein Maientag sind
in ihrem sonnig-grünen Glänze, in der Keusch-
heit, in der ihre Form sich erschließt und in
ihrer Duftigkeit. Und andere wieder sind wie
sonniger Sommer. Sie wölben sich in tiefem
Himmelsblau oder tragen die Färbung gewitter-
schwangeren Mittags.

Wieder andere aber sind wie ein frostklir-
render Wintermorgen, an dem man fürchtet,
daß der Himmel vor Kälte zerspringt. So glas-
klar sind sie, so unsagbar einfach und so zum
Zerklirren gespannt in ihrer Wölbung.

Aus diesen Gläsern, die wie ein Wintermor-
gen sind, müßten Mohnblumen glühen oder
brandrote Nelken. Es wäre wie ein Sieg des

Sommers über den Winter. In der bauchigen
Vase aber mit der Färbung gewitterschwangeren
Mittags müßten sich die langen Stile von weißen
Lilien wunderlich brechen, um dann lang und
schlank bis zur Blüte aufzustreben. Lilien in
der Sommervase: Erinnerung an sonnendurch-
glühte Sommertage, wenn die Ernten zu Ende
gehen und die Lilien mit ihrem berauschenden
Duft in makelloser Reine vor goldenen Altären
in stillen Dorfkirchen leuchten zum Dank für
des Sommers Segen.

Anders muten die breiten, weiten Schalen
an, in deren opalisierendem Glas des Regen-
bogens bunte Farbigkeit gefangen ist. Die sind
wie eine lustige Wasserkunst, wenn die schil-
figen Stengel der Schwertlilie aus ihrer Mitte
sprießen und die rieselnden Ranken des Asper-
gus wie sprühender Wasserstaub in die Schale
wehen. Jede dieser Schalen lebt in einem eige-
nen Traumland und hat eine eigene Seele. Ihre
Kostbarkeit erschließt sich nur dem, der in ihr
die Seele des Künstlers ahnt, der sie schuf. Denn
sie sind ja ein Hauch von des Künstlers Seele,
diese venezianischen Gläser, lothar schüttel.
 
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