NEUE RÄUME VON BRUNO PAUL
Erst spät hat Bruno Paul seinen Beitrag zur
Wohnungskunst-Ausstellung in Düsseldorf
geliefert. Aber was er nun dort zeigt, ist Aus-
druck einer starken Persönlichkeit und fügt sich
überdies sehr harmonisch dem vorhandenen
Ganzen ein. Unsere Veröffentlichung in der
„Innen-Dekoration" (Juliheft 1928) hat das in
Düsseldorf Geschaffene vorgeführt. Die Aus-
stellung hat einen imponierenden Begriff von
dem Ernst und den starken, künstlerischen Ge-
danken gegeben, mit denen heute wie je an der
Sache der neuzeitlichen Wohnung in Deutsch-
land gearbeitet wird. Unser Kunsthandwerk
wie unsere Künstlerschaft haben sich in Düssel-
dorf auf der Höhe ihrer Aufgabe gezeigt. Ein
Ausfluß des Ernstes, der ihre Arbeit trägt, ist
es, daß auf der Düsseldorfer Ausstellung sämt-
liche Tendenzen, die in der Gestaltung der
heutigen Wohnung mitwirken, zum Ausdruck
kommen, auch jener neueste Zug zu einer fast
technischen Einfachheit, der sich bekanntlich
schon seit langem im Außenbau ankündigt. Die
Probleme, die damit gestellt sind, werden in
Düsseldorf deutlich empfunden; und wenn man
ihnen dort nicht in der radikalen Weise der
Stuttgarter Wohnungsausstellung Ausdruck ge-
geben hat, so liegt darin ein berechtigtes Streben,
die Verbindung mit dem Bisherigen nicht preis-
zugeben, sondern zunächst einen Versuch zu
machen, die neuen Gedanken organisch mit der
gesicherten Tradition zu verschmelzen.
Die Räume, die Bruno Paul in Düsseldorf
zeigt, verstärken diejenige Seite der Ausstellung,
die den Zusammenhang mit unsrer großen kunst-
gewerblichen Überlieferung hervorhebt. Lebhaft
wirkt in Bruno Paul jene Gesinnung fort, die
im Wohnraum ein objektives, geformtes Kunst-
werk anstrebt. Jedes einzelne Stück tritt als
„Persönlichkeit" auf; jeder Raum, ja man kann
sagen: jeder Räumteil besitzt eine gepflegte
Individualität, ist ein Stück gestaltete, den
Menschen umschließende Welt. Die Räume
bauen sich auf in sparsamen, aber bedeutenden
Gruppierungen von Möbelstücken, und jedes
von diesen trägt einen nachdrücklichen Akzent.
So besteht z. B. die Kaminnische nur aus dem
Kamin, einem Sessel und einem niederen Tisch
mit Lampe. Aber der Kamin baut sich mit sei-
nen plastisch belebten Ober- und Seitenteilen
zu einer großartigen Wand aus, fast denkmalhaft
gehalten, der Sessel mit seinen dunklen Farben
und dem ruhigen Lagern seiner Linien hat das
Äußerste an Feierlichkeit des profanen Lebens,
und die hohe Lampe trägt ihr Licht mit einer
ausgesprochen festlichen, bedeutenden Gebärde.
Sparsam, sagten wir, sind die Gruppierungen,
aus denen sich diese Räume aufbauen. Und
diese Sparsamkeit, dieses Bekenntnis zum
zwar organisierten, aber freien und möglichst
wenig verstellten Raum ist das Mittel, durch
das Bruno Paul sein Schaffen an die spezifisch
neuen Raumtendenzen anschließt. Denn diese
Tendenzen zielen vor allem darauf ab, den
Menschen zum Herrn im Raum zu machen,
ihm Bewegungs- und Blickfreiheit zu geben,
Wand- und Bodenflächen voll ausschwingen
zu lassen. Auch der Fensterplatz im Wohn-
zimmer zeigt nur drei Möbelstücke, und sie
genügen, wie man sieht, dem Künstler vollauf,
um diesem Raumteil eine schöne, klare Fassung
zu geben ; wobei noch insbesondere die betont
einfache, edle Art der Fensterverkleidung und
der Fensterbehandlung zu beachten ist.
Gerade in diesem Zug zur Räumoffenheit
und zur klaren Gestaltung der einzelnen Stücke
stimmen Bruno Pauls Räume mit dem Grund-
charakter der Düsseldorfer Ausstellung überein.
Es sei nur an das Arbeitszimmer eines Indu-
striellen von F. A. Breuhaus oder an Straumers
große Wohnhalle erinnert: deutlich ist da das
Negativ des Raumes als wesentliches Mittel
der Wirkung benutzt. Die Möbel geben Glie-
derung und Ordnung des Raumes an, aber im
übrigen herrscht größte Freiheit der Bewegung;
eine schwungvolle und liniengroße Freiheit, die
deutlich mit dem schwungvollen Lebensgefühl
des modernen Menschen im Zusammenhang
steht. Aber um den Ort, an dem Bruno Paul
steht, nochmals deutlich zu bezeichnen: ihm
liegt dabei wesentlich an der gepflegten, an der
möglichst ausdrucksvollen Form des einzelnen
Stückes. Seine Möbel sind nicht nur Erfüller
bestimmter Funktionen, sondern sie haben im-
mer auch eine entsprechende Gebärde, sie
stellen sich gleichsam „persönlich" und mit
einem gewissen Affekt in ihre Funktion ein.
Die Lichtspender teilen das Licht stets als eine
kostbare Gabe aus, die Sessel bedeuten schon
in ihrer Form ein Maximum an Ruhe und Ent-
spannung, die Sofa-Ecke im Ankleidezimmer
der Dame ist schon ohne den Menschen eine
gesprächige, heitere Gruppierung. In dieser
Gesinnung ist unser Kunstgewerbe groß ge-
worden, hat es jene Ergebnisse erarbeitet, von
denen aus heute mit Aussicht auf Erfolg
weitergegangen werden kann......... k.
XXXII. Oktober 1928. 9
Erst spät hat Bruno Paul seinen Beitrag zur
Wohnungskunst-Ausstellung in Düsseldorf
geliefert. Aber was er nun dort zeigt, ist Aus-
druck einer starken Persönlichkeit und fügt sich
überdies sehr harmonisch dem vorhandenen
Ganzen ein. Unsere Veröffentlichung in der
„Innen-Dekoration" (Juliheft 1928) hat das in
Düsseldorf Geschaffene vorgeführt. Die Aus-
stellung hat einen imponierenden Begriff von
dem Ernst und den starken, künstlerischen Ge-
danken gegeben, mit denen heute wie je an der
Sache der neuzeitlichen Wohnung in Deutsch-
land gearbeitet wird. Unser Kunsthandwerk
wie unsere Künstlerschaft haben sich in Düssel-
dorf auf der Höhe ihrer Aufgabe gezeigt. Ein
Ausfluß des Ernstes, der ihre Arbeit trägt, ist
es, daß auf der Düsseldorfer Ausstellung sämt-
liche Tendenzen, die in der Gestaltung der
heutigen Wohnung mitwirken, zum Ausdruck
kommen, auch jener neueste Zug zu einer fast
technischen Einfachheit, der sich bekanntlich
schon seit langem im Außenbau ankündigt. Die
Probleme, die damit gestellt sind, werden in
Düsseldorf deutlich empfunden; und wenn man
ihnen dort nicht in der radikalen Weise der
Stuttgarter Wohnungsausstellung Ausdruck ge-
geben hat, so liegt darin ein berechtigtes Streben,
die Verbindung mit dem Bisherigen nicht preis-
zugeben, sondern zunächst einen Versuch zu
machen, die neuen Gedanken organisch mit der
gesicherten Tradition zu verschmelzen.
Die Räume, die Bruno Paul in Düsseldorf
zeigt, verstärken diejenige Seite der Ausstellung,
die den Zusammenhang mit unsrer großen kunst-
gewerblichen Überlieferung hervorhebt. Lebhaft
wirkt in Bruno Paul jene Gesinnung fort, die
im Wohnraum ein objektives, geformtes Kunst-
werk anstrebt. Jedes einzelne Stück tritt als
„Persönlichkeit" auf; jeder Raum, ja man kann
sagen: jeder Räumteil besitzt eine gepflegte
Individualität, ist ein Stück gestaltete, den
Menschen umschließende Welt. Die Räume
bauen sich auf in sparsamen, aber bedeutenden
Gruppierungen von Möbelstücken, und jedes
von diesen trägt einen nachdrücklichen Akzent.
So besteht z. B. die Kaminnische nur aus dem
Kamin, einem Sessel und einem niederen Tisch
mit Lampe. Aber der Kamin baut sich mit sei-
nen plastisch belebten Ober- und Seitenteilen
zu einer großartigen Wand aus, fast denkmalhaft
gehalten, der Sessel mit seinen dunklen Farben
und dem ruhigen Lagern seiner Linien hat das
Äußerste an Feierlichkeit des profanen Lebens,
und die hohe Lampe trägt ihr Licht mit einer
ausgesprochen festlichen, bedeutenden Gebärde.
Sparsam, sagten wir, sind die Gruppierungen,
aus denen sich diese Räume aufbauen. Und
diese Sparsamkeit, dieses Bekenntnis zum
zwar organisierten, aber freien und möglichst
wenig verstellten Raum ist das Mittel, durch
das Bruno Paul sein Schaffen an die spezifisch
neuen Raumtendenzen anschließt. Denn diese
Tendenzen zielen vor allem darauf ab, den
Menschen zum Herrn im Raum zu machen,
ihm Bewegungs- und Blickfreiheit zu geben,
Wand- und Bodenflächen voll ausschwingen
zu lassen. Auch der Fensterplatz im Wohn-
zimmer zeigt nur drei Möbelstücke, und sie
genügen, wie man sieht, dem Künstler vollauf,
um diesem Raumteil eine schöne, klare Fassung
zu geben ; wobei noch insbesondere die betont
einfache, edle Art der Fensterverkleidung und
der Fensterbehandlung zu beachten ist.
Gerade in diesem Zug zur Räumoffenheit
und zur klaren Gestaltung der einzelnen Stücke
stimmen Bruno Pauls Räume mit dem Grund-
charakter der Düsseldorfer Ausstellung überein.
Es sei nur an das Arbeitszimmer eines Indu-
striellen von F. A. Breuhaus oder an Straumers
große Wohnhalle erinnert: deutlich ist da das
Negativ des Raumes als wesentliches Mittel
der Wirkung benutzt. Die Möbel geben Glie-
derung und Ordnung des Raumes an, aber im
übrigen herrscht größte Freiheit der Bewegung;
eine schwungvolle und liniengroße Freiheit, die
deutlich mit dem schwungvollen Lebensgefühl
des modernen Menschen im Zusammenhang
steht. Aber um den Ort, an dem Bruno Paul
steht, nochmals deutlich zu bezeichnen: ihm
liegt dabei wesentlich an der gepflegten, an der
möglichst ausdrucksvollen Form des einzelnen
Stückes. Seine Möbel sind nicht nur Erfüller
bestimmter Funktionen, sondern sie haben im-
mer auch eine entsprechende Gebärde, sie
stellen sich gleichsam „persönlich" und mit
einem gewissen Affekt in ihre Funktion ein.
Die Lichtspender teilen das Licht stets als eine
kostbare Gabe aus, die Sessel bedeuten schon
in ihrer Form ein Maximum an Ruhe und Ent-
spannung, die Sofa-Ecke im Ankleidezimmer
der Dame ist schon ohne den Menschen eine
gesprächige, heitere Gruppierung. In dieser
Gesinnung ist unser Kunstgewerbe groß ge-
worden, hat es jene Ergebnisse erarbeitet, von
denen aus heute mit Aussicht auf Erfolg
weitergegangen werden kann......... k.
XXXII. Oktober 1928. 9