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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 63.1928-1929

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Heizer, Wilhelm: Ein Holzhaus der deutschen Werkstätten: Entwurf: Karl Bertsch, Berlin-München
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https://doi.org/10.11588/diglit.9253#0143

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EIN HOLZHAUS DER DEUTSCHEN WERKSTÄTTEN

ENTWURF: KARL BERTSCH—BERLIN-MÜNCHEN

Wenn es in hundert oder zweihundert Jahren
noch Kunsthistoriker gibt, so werden
diese vermutlich ein wenig lächelnd herab-
sehen auf die Dunkelheit unserer Zeit. Für die
Architektur - Entwicklung zwischen 1900 und
1935 werden sie eine Krisis feststellen, eine
Umwertung aller bisher gültigen Tatsachen. Sie
werden finden, daß neben dem Zweckbau haupt-
sächlich das Wohnhaus in den Mittelpunkt des
Interesses gerückt ist.
Und sie werden als einen
gewissen Wendepunkt
in der Entwicklung den
Gedanken ansehen, der
plötzlich mit Heftigkeit
hervorbrach: haben wir
es eigentlich nötig, in
großen vielstöckigen Häu-
sern zu wohnen, mitten
in der Stadt, in Stein
und Staub? — Diese
künftigen Historiker wer-
den auch bemerken, daß
sich langsam, aber doch
unaufhaltsam zugleich mit
den grundlegenden Ver-
änderungen der Wohn-
formen das Material des
Hausbaues veränderte.
Man wollte nicht mehr
Zyklopenbauten herstel-
len, sondern zog vor, in
sauberen, leichten und
freudigen Häusern zu
wohnen, hell und bunt
aus lebendigem Material,
aus Holz. Warm im
Winter, kühl im Sommer,
lebendig und zugänglich
für sinnesfreudig gewor-
dene Sinne, Wohnhäu-
ser, die richtig zum Woh-
nen geschaffen sind. —
So ganz einfach, wie das
dem Historiker des 22.
Jahrhunderts vielleicht
erscheinen mag, hat sich
in Wirklichkeit der Vor-
gang ja nicht abgespielt.
Als ob etwa plötzlich
alle gesagt hätten: bis-
her waren wir dumm

LAGEPLAN. 1. einfahrt, 2. Terrasse, 3.wirtschaftshof

4. kinderspielplatz, 5. gemüsegarten, 6. garagb

und rückständig, von jetzt an wird es anders
gemacht. — Nein, das schön und richtig Woh-
nen ist garnicht so selbstverständlich, wie man
meinen möchte. Da gibt es vorher noch unge-
zählte Schwierigkeiten aui dem Wege zu räu-
men. Z. B. solche materieller Art, denn wir
können doch nicht alle auf einmal unsere alten
Häuser verlassen und in schönere umziehen. . .
Und wie sollen denn eigentlich diese neuen
und schönen Häuser aus-
sehen? Ganz im allge-
meinen könnten wir un-
sere Wünsche wohl an-
geben, aber in der Durch-
führung, im Verwirklichen
einer Idee, in tausend
Einzelheiten, da scheint
das doch nicht so ganz
einfach zu sein. Wir be-
merken sogar, daß es
nicht bloß verschiedene
Architekten - Individuali-
täten gibt, die naturge-
mäß zu verschiedener Lö-
sung kommen, wir kön-
nen sogar ganz entge-
gengesetzte Richtungen
architektonischer Ideale
feststellen. Dabei treten
manchmal ganz abwe-
gige Gedankengänge zu-
tage, die aus irgendwel-
chen Schlagworten oder
aus dem Mißverständnis
einer ursprünglich viel-
leicht richtigen Idee ge-
boren sind. Umgekehrt
gibt es da und dort
schonMus terbeispiele des
neuzeitlichen Wohnhau-
ses, ebenfalls von ganz
verschiedenartigem Aus-
sehen, obwohl man trotz-
dem all diesen guten Bau-
ten deutlich das Ver-
einende, den Stempel des
20. Jahrhunderts, anmer-
ken kann. Es ist wichtig,
solche Musterbauten der
Öffentlichkeit zu zeigen,
nicht, damit sie kopiert
werden — das geht üb-

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