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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 63.1928-1929

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Barchan, Paul: Pierre Gerber - Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.9253#0207

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P. GERBER.
GEMÄLDE
»NACHT-
LOKAL«

PIERRE GERBER-PARIS

Man kann sagen, es gibt dreierlei Malereien
in Frankreich. So im großen Ganzen.
Immerhin wohnen in Paris einige zehntausende
Maler. Da wäre also zunächst:

DIE „PARISER" MALEREI. Das heißt, mit
Paris, dessen Luft, dessen Atmosphäre den
Begriff und die Schule der modernen Malerei
geboren und gezüchtet hat, hat die Pariser
Malerei nichts zu tun. Es ist „Paris", in An-
führungsstrichen, es ist das populär-konventio-
nelle Paris, die Betriebsstelle der Allerwelts-
Gefälligkeit, des Allerweltskitzels, der Plau-
sibilität. Man weiß Bescheid. Es ist eine Ver-
leumdung dieser so verteufelt ernst arbeitenden,
genialischen Stadt. Der Müßiggang der ganzen
Welt hat nun mal einen Narren gefressen an
dieser überreichen Stadt, hat diese zum Rendez-
vous- und Tummelplatz ihres billigen Ge-
schmackes, ihrer billigen Lüste und ihrer billigen
Eitelkeiten erkoren. Und die Franzosen sind
klug genug und haben ein groß Teil ihres Terri-
toriums dieser Allerweltsindustrie abgetreten.

DIE FRANZÖSISCHE MALEREI. Unabhängig
und fanatisch und abseits vom „Pariserischen"
hat die große, die Französische Malerei geschuf-
tet, gekämpft, geblüht und gesiegt. Die einzige,

die wahrhafte Pariser Luft hat sie geboren, hat
ihnen den heißen Willen mitgegeben, der den
Besessenen und Kämpfer schafft, hat sie zu
Märtyrern werden lassen, um sie alsdann zu ka-
nonisieren. Dieses Paris! Das 19. Jahrhundert
französischer Malerei ist wie ein Heldenlied.

DIE MALEREI DES MONTPARNASSE. Die
Malerei um der Malerei willen. Der Male-
reien Krone. Mit der ist nicht zu scherzen!
Die reine, die absolute, die entfesselte Malerei.
Orthodox, fanatisch, untolerant ist sie französi-
scher als die französische Malerei, konsequenter
als die Lehrer, dogmatischer als die, so das
Dogma errichtet. Wüßte man es nicht, man
könnte es errechnen: so fanatisch, so verbissen,
so hineingebissen sein, so übertrumpfen, so
mit Scheuklappen angetan sein — können nur
Fremde, Kinder junger, unverbrauchter Kul-
turen, der Entwicklung, der Tradition bar,
Störrische, die mit einem Sprung mitten drinn
sind: also, vor allen — die Russen. Schon
gemäßigter, ausbalancierter, mit einer Portion
„Geschmack" in den Nerven — Polen. Dann
etliche Einzelne. Mit sehr wachen Augen sind
sie in das Wesen der reinen Malerei ein-
gedrungen, dergestalt, daß es gleich einem
 
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