A. DERAIN
SKIZZE ZU
HARLEKINE
ANDRE DERAIN
VON DR. ERITZ NEUGASS
Derain ist einer der problematischsten
Künstler unserer Tage. Seine Bilder sind
anziehend, aber beängstigend, plastisch und
geschlossen in der Komposition, aber dennoch
zerfließend und rätselhaft, neu und ursprünglich,
aber erfüllt von Reminiszenzen aller Kulturen.
Sein Freund Guillaume Apollinaire, der den
Meister vielleicht am tiefsten erkannt hat und
ihm als einer der ganz Wenigen auch mensch-
lich nahe stand, schrieb kurz vor seinem Tode:
„Nach wilden Jugendjahren hat er sich zur
Mäßigkeit gewandelt. Aus diesen Bemühungen
entstanden Werke von fast religiöser Gesin-
nung, worinnen Einige archaische Züge erken-
nen wollten. Die Kunst Derains trägt heute ein
Gepräge von fast antiker Größe des Ausdrucks."
Diese Worte fassen besser, als alle weitschwei-
figen Kritiken und Analysen seiner Zeitgenossen
die Probleme dieses Künstlers zusammen.
— Der Zwiespalt des Menschen, der sieben
Jahre Soldat gewesen ist und ein leidenschaft-
licher Flieger war und andererseits völlig ab-
geschlossen in seine Kunst und seine Musik
versunken ist, spricht auch aus seinen Werken.
Die festumrissenen Formen, das Suchen nach
plastischen Werten, die stärken Farbkontraste,
waren das nicht Posaunenklänge zum Beginn
des Kampfes gegen den Impressionismus auf
dem Schlachtfeld der „Fauves", der Revolutio-
näre um die Jahrhundertwende? Und die
zarten Töne seiner Landschaften, der klassisch
ruhige Blick seiner Porträts, die stille Versunken-
heit seiner Akte, sind das nicht Harmonien, die
aus allen Zeiten in seinem Werke zusammen-
klingen ? Noch mehr als Picasso betont Derain,
daß die Tradition alle Rechte und Ansprüche
verliert, wenn es ihr versagt ist, ein Echo in
der zeitgenössischen Seele zu finden.
Zur Zeit der „Fauves", im ersten Jahrzehnt
des neuen Jahrhunderts, war Derain mit Picasso
XXXII. Feliruar 1928. 1
SKIZZE ZU
HARLEKINE
ANDRE DERAIN
VON DR. ERITZ NEUGASS
Derain ist einer der problematischsten
Künstler unserer Tage. Seine Bilder sind
anziehend, aber beängstigend, plastisch und
geschlossen in der Komposition, aber dennoch
zerfließend und rätselhaft, neu und ursprünglich,
aber erfüllt von Reminiszenzen aller Kulturen.
Sein Freund Guillaume Apollinaire, der den
Meister vielleicht am tiefsten erkannt hat und
ihm als einer der ganz Wenigen auch mensch-
lich nahe stand, schrieb kurz vor seinem Tode:
„Nach wilden Jugendjahren hat er sich zur
Mäßigkeit gewandelt. Aus diesen Bemühungen
entstanden Werke von fast religiöser Gesin-
nung, worinnen Einige archaische Züge erken-
nen wollten. Die Kunst Derains trägt heute ein
Gepräge von fast antiker Größe des Ausdrucks."
Diese Worte fassen besser, als alle weitschwei-
figen Kritiken und Analysen seiner Zeitgenossen
die Probleme dieses Künstlers zusammen.
— Der Zwiespalt des Menschen, der sieben
Jahre Soldat gewesen ist und ein leidenschaft-
licher Flieger war und andererseits völlig ab-
geschlossen in seine Kunst und seine Musik
versunken ist, spricht auch aus seinen Werken.
Die festumrissenen Formen, das Suchen nach
plastischen Werten, die stärken Farbkontraste,
waren das nicht Posaunenklänge zum Beginn
des Kampfes gegen den Impressionismus auf
dem Schlachtfeld der „Fauves", der Revolutio-
näre um die Jahrhundertwende? Und die
zarten Töne seiner Landschaften, der klassisch
ruhige Blick seiner Porträts, die stille Versunken-
heit seiner Akte, sind das nicht Harmonien, die
aus allen Zeiten in seinem Werke zusammen-
klingen ? Noch mehr als Picasso betont Derain,
daß die Tradition alle Rechte und Ansprüche
verliert, wenn es ihr versagt ist, ein Echo in
der zeitgenössischen Seele zu finden.
Zur Zeit der „Fauves", im ersten Jahrzehnt
des neuen Jahrhunderts, war Derain mit Picasso
XXXII. Feliruar 1928. 1