Andrtf Derain
auftrag und derber Pinselführung. Bald jedoch
versuchte er sich in großen figuralen Kompo-
sitionen, in starken rhythmischen Linien und
helleren Farben. Doch alle seine Schöpfungen
waren noch stark in der Fläche gebunden. Erst
ganz allmählich entwickelte sich das Gefühl für
Raumtiefe und Volumen, bis er 1907 in zwei
künstlerisch belanglosen Skulpturen kubistische
Ideen zum Ausdruck brachte. In dieser Zeit
berührte er sich stark mit den Problemen, die
Picasso zu lösen versuchte und wurde bereits
als Gründer des Kubismus gefeiert. Die Fauves
hatten endlich gewirkt. Matisse, Vlaminck und
Dufy schlugen bereits ihre eigenen Wege ein, als
Derain sich noch immer mit den Negerplastiken
auseinandersetzte. Es war dies eine kritische
Epoche in Derains Schaffen, da er allzusehr in
geschichtlichen Reminiszenzen befangen war und
sein Eklektizismus in einem Meer von Tenden-
zen unterging. Es führte zu einer Katastrophe,
als in Derain Giotto mit den Negern rang.
Es war eine heroische Tat, die Derain in
dieser Rettung der Tradition erfüllte. Doch
sein ruheloser Geist fand endlich den Weg zu
sich selber. Er begann den Konflikt zu lösen,
der sich zwischen Malerei und Raum, Orna-
ment und Fläche entspann. Unter dem Einfluß
Cezannes fand er die Tiefe des Raumes und
begann, die Volumina zu betonen. Dies war
das Neue gegenüber der monotonen optischen
Einfalt der „Fauves". Mit Derain und beson-
ders mit Rousseau setzte damals eine Klarheit
des Gegenständlichen ein, die heute besonders
in Deutschland bis zum Modestil getrieben
wurde. Nach dem Krieg hat der Meister seinen
Stil völlig gewandelt. Vier Jahre hat er keinen
Pinsel berührt. Die verstandesmäßige Primi-
tivität, das rezeptive Schaffen war vorüber.
Poesie, Frische, Empfindsamkeit und dabei
höchste Ökonomie in seinen Mitteln waren die
Zeichen des neuen reiferen und abgeklärten
Menschen. Er suchte die Komposition zu ver-
bergen und das Lehrhafte zu vermeiden. Der
Klassizist steigert sich an größeren Vorbildern
und sucht Geschmack und Urteil zu verfeinern.
In seinen Landschaften ist er in der Struktur
der Nachfolger Cezannes, in der Farbe hat ihm
Corot seine silbergrauen, weichen Töne sugge-
riert. Das Charakteristikum seiner Bilder ist
die pointierte Begrenzung des Farbflecks, durch
die er den einzelnen Gegenstand auf seine ein-
fachste Formel bringt. In den letzten Jahren
abstrahiert er wieder stärker von der Gegen-
ständlichkeit zugunsten einer neuen, großen
und geschlossenen Form.
Bald ist er ein Fünfzigjähriger. Die Würde
und Ausgeglichenheit des Alters hat seine Sturm-
und Drangzeit offensichtlich überwunden. Er
wird lyrisch und seine Bilder klingen in vollen
Harmonien warmer Mollakkorde. ... dr. f. n.
ANDRE DERAIN. »FRÜCHTE-STILLEBENc 1927. SAMMLUNG PAUL GUILLAUME
auftrag und derber Pinselführung. Bald jedoch
versuchte er sich in großen figuralen Kompo-
sitionen, in starken rhythmischen Linien und
helleren Farben. Doch alle seine Schöpfungen
waren noch stark in der Fläche gebunden. Erst
ganz allmählich entwickelte sich das Gefühl für
Raumtiefe und Volumen, bis er 1907 in zwei
künstlerisch belanglosen Skulpturen kubistische
Ideen zum Ausdruck brachte. In dieser Zeit
berührte er sich stark mit den Problemen, die
Picasso zu lösen versuchte und wurde bereits
als Gründer des Kubismus gefeiert. Die Fauves
hatten endlich gewirkt. Matisse, Vlaminck und
Dufy schlugen bereits ihre eigenen Wege ein, als
Derain sich noch immer mit den Negerplastiken
auseinandersetzte. Es war dies eine kritische
Epoche in Derains Schaffen, da er allzusehr in
geschichtlichen Reminiszenzen befangen war und
sein Eklektizismus in einem Meer von Tenden-
zen unterging. Es führte zu einer Katastrophe,
als in Derain Giotto mit den Negern rang.
Es war eine heroische Tat, die Derain in
dieser Rettung der Tradition erfüllte. Doch
sein ruheloser Geist fand endlich den Weg zu
sich selber. Er begann den Konflikt zu lösen,
der sich zwischen Malerei und Raum, Orna-
ment und Fläche entspann. Unter dem Einfluß
Cezannes fand er die Tiefe des Raumes und
begann, die Volumina zu betonen. Dies war
das Neue gegenüber der monotonen optischen
Einfalt der „Fauves". Mit Derain und beson-
ders mit Rousseau setzte damals eine Klarheit
des Gegenständlichen ein, die heute besonders
in Deutschland bis zum Modestil getrieben
wurde. Nach dem Krieg hat der Meister seinen
Stil völlig gewandelt. Vier Jahre hat er keinen
Pinsel berührt. Die verstandesmäßige Primi-
tivität, das rezeptive Schaffen war vorüber.
Poesie, Frische, Empfindsamkeit und dabei
höchste Ökonomie in seinen Mitteln waren die
Zeichen des neuen reiferen und abgeklärten
Menschen. Er suchte die Komposition zu ver-
bergen und das Lehrhafte zu vermeiden. Der
Klassizist steigert sich an größeren Vorbildern
und sucht Geschmack und Urteil zu verfeinern.
In seinen Landschaften ist er in der Struktur
der Nachfolger Cezannes, in der Farbe hat ihm
Corot seine silbergrauen, weichen Töne sugge-
riert. Das Charakteristikum seiner Bilder ist
die pointierte Begrenzung des Farbflecks, durch
die er den einzelnen Gegenstand auf seine ein-
fachste Formel bringt. In den letzten Jahren
abstrahiert er wieder stärker von der Gegen-
ständlichkeit zugunsten einer neuen, großen
und geschlossenen Form.
Bald ist er ein Fünfzigjähriger. Die Würde
und Ausgeglichenheit des Alters hat seine Sturm-
und Drangzeit offensichtlich überwunden. Er
wird lyrisch und seine Bilder klingen in vollen
Harmonien warmer Mollakkorde. ... dr. f. n.
ANDRE DERAIN. »FRÜCHTE-STILLEBENc 1927. SAMMLUNG PAUL GUILLAUME