Frauenporträts
WERNER FECHNER WEIMAR
»FRAUEN-PORTRAT«
wächst, herausgewittert und wahrgenommen.
Das Frauenbild hat seinen Anteil daran.
Die Malerei unserer Tage nähert sich diesem
Thema um so begieriger, da es eine völlig neue
Gestalt angenommen, somit den Reiz unbe-
ackerter Aufgaben zu bieten hat. Denn ein
ganz neuer Typus Weib ist aus der Versenkung
gestiegen. Wir Männer haben uns ja auch ver-
ändert, innen und außen, aber was wollen diese
kleinen Verschiebungen gegen die Revolution
besagen, die mit der Frau vor sich ging. Die
Zersetzung und Umpflügung der alten bürger-
lichen Gesellschaft hat hier ihr sichtbarstes
Zeichen aufgepflanzt. Es besteht kaum eine
Verbindung mehr zwischen der Frauenerschei-
nung von 1928 und der von 1908.
Was vor sich ging, war eine Erfrischung, Be-
lebung von Grund auf. Aus einem Zimmer-
und Treibhausgewächs ist eine Freiluftpflanze
geworden. Aus einem von Konventionen und
Vorurteilen umstarrten, im Wortsinne einge-
schnürten Geschöpf ein hellblickendes, freies,
lebensmutiges, tätigkeitsfrohes. Die Umzaube-
rung glitt in die Züge des Antlitzes, prägte sich
in den Augen, im Munde, in der Haltung des
Kopfes, im Rahmenwerk der Haare aus. Die
Glieder wurden beweglich, sportlich trainiert,
mehr oder weniger versteht sich, doch bemer-
kenswert in jedem Falle, und das sehniger ge-
wordene, auch härter gewordene System des
Muskelbaus bildete neue Körper, wirkte in
die Formlagerungen des Gesichts hinauf. Eine
Übergangszeit der Vermännlichung wurde bald
ausgeglichen.
Auf einmal ist ein neues Modell des Frauen-
porträts geboren. Das Ideal hat sich gewan-
delt: die Schönheit ist in einen neuen Begriff
gewachsen. Und damit verminderte sich, ver-
flüchtigte sich fast die einstige Gefahr für den
Maler. Wohl, auch die alte Form ist noch nicht
gänzlich verjagt, sie lebt noch fort in gefälligen,
doch nun leer gewordenen Puppengesichtern —
WERNER FECHNER WEIMAR
»FRAUEN-PORTRAT«
wächst, herausgewittert und wahrgenommen.
Das Frauenbild hat seinen Anteil daran.
Die Malerei unserer Tage nähert sich diesem
Thema um so begieriger, da es eine völlig neue
Gestalt angenommen, somit den Reiz unbe-
ackerter Aufgaben zu bieten hat. Denn ein
ganz neuer Typus Weib ist aus der Versenkung
gestiegen. Wir Männer haben uns ja auch ver-
ändert, innen und außen, aber was wollen diese
kleinen Verschiebungen gegen die Revolution
besagen, die mit der Frau vor sich ging. Die
Zersetzung und Umpflügung der alten bürger-
lichen Gesellschaft hat hier ihr sichtbarstes
Zeichen aufgepflanzt. Es besteht kaum eine
Verbindung mehr zwischen der Frauenerschei-
nung von 1928 und der von 1908.
Was vor sich ging, war eine Erfrischung, Be-
lebung von Grund auf. Aus einem Zimmer-
und Treibhausgewächs ist eine Freiluftpflanze
geworden. Aus einem von Konventionen und
Vorurteilen umstarrten, im Wortsinne einge-
schnürten Geschöpf ein hellblickendes, freies,
lebensmutiges, tätigkeitsfrohes. Die Umzaube-
rung glitt in die Züge des Antlitzes, prägte sich
in den Augen, im Munde, in der Haltung des
Kopfes, im Rahmenwerk der Haare aus. Die
Glieder wurden beweglich, sportlich trainiert,
mehr oder weniger versteht sich, doch bemer-
kenswert in jedem Falle, und das sehniger ge-
wordene, auch härter gewordene System des
Muskelbaus bildete neue Körper, wirkte in
die Formlagerungen des Gesichts hinauf. Eine
Übergangszeit der Vermännlichung wurde bald
ausgeglichen.
Auf einmal ist ein neues Modell des Frauen-
porträts geboren. Das Ideal hat sich gewan-
delt: die Schönheit ist in einen neuen Begriff
gewachsen. Und damit verminderte sich, ver-
flüchtigte sich fast die einstige Gefahr für den
Maler. Wohl, auch die alte Form ist noch nicht
gänzlich verjagt, sie lebt noch fort in gefälligen,
doch nun leer gewordenen Puppengesichtern —