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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 63.1928-1929

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Hausenstein, Wilhelm: Talent
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https://doi.org/10.11588/diglit.9253#0345

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Talent

EUGEN SPIRO—BERLIN

»FRAUEN-PORTRAT«

Dies alles bedeutet nicht, daß man die Talent-
losen einladen dürfte, sich an der Kunst zu
versuchen und zu versündigen. Sehr oft sind
die Talentlosen ja auch die Herzlosen. Die
Herzen aber, die sich an der Kunst versuchen
dürfen, ohne vom Talent wie von einer ge-
fälligen Sonne begünstigt zu sein, sind auf der
Welt gezählt. Die kleinen Hochstapler, die
eine Konjunktur „infantiler" Moden ausnützen,
sind hiermit nicht beglaubigt; sie sind verworfen.

Beglaubigt werden freilich auch nicht jene
anderen, die mit Talent malen, mit Talent dich-

ten und musizieren, ohne eigentlich etwas aus-
zusagen. Vielmehr: wohl scheinen sie etwas
auszusagen mittels ihres biegsamen Talentes,
aber sonderbar: das Ausgesagte verfängt nicht.
Weshalb nicht? Weil es nur mit dem Talent
ausgesagt ist, nicht auch und nicht vor allem
mit dem Gewissen, nicht aus dem moralischen
Beruf. Wir haben einen Überfluß an Talenten
dieser Art. Sie sagen Dinge (im Bild, im Wort,
im Vers, in der Musik), die gleichsam objektiv
wahr, also richtig sind; aber das Gesagte bleibt
ohne Wirkung ins Gemüt. Es ist ohne Autori-

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