Henri-Malisse /<56p-/p2p
HENRI-M ATISSE
»AM FENSTER« 1924
ten Helden und Märtyrer, denen die neuen
Altäre errichtet wurden. Ihr Geist beseelte die
ganze junge Künstlerschaft. Die klare Bildauf-
teilung und die festumrissenen Formen wurden
zur Losung der neuen Richtung. Matisse wußte
die Freiheit der Komposition zu wahren und
zu einem ganz bestimmten Schema zu verdich-
ten: große Farbflächen wurden — auf Haupt-
klänge abgestimmt — gegeneinandergesetzt.
Nicht vom Lichte kommt das Heil, sondern aus
der Farbe. Doch Farbe und Form sind verall-
gemeinert. Die Vereinfachung ist wohl nur die
Folge der Zertrümmerung der Tradition, an
deren Stelle man wieder Neues erfinden mußte.
Die Leere des Bildes wurde mit einem allzu-
weichen Ornament ausgefüllt, das im Rahmen
der Komposition alles andere überwucherte:
es war ein billiges Mittel, die Fläche zu füllen,
zu beleben und das Gleichgewicht herzustellen.
Doch das Auge gleitet spielerisch darüber hin-
weg und bleibt unbefriedigt. Die Farben jedoch
klingen in den reinsten Akkorden und schaffen
eine Atmosphäre, die in ihrer Klarheit und
Reinheit bisher noch nicht erreicht war. In den
früheren Bildern verspürt man einen Hauch
von Gauguins exotischer Palette; noch war die
Materie schwer und drückend; später wird sie
heller, lichter und von bezauberndem Glanz.
Die Auswahl der Motive ist sehr bescheiden:
Landschaft, Interieur, Odaliske und Porträt
wechseln sich einander ab. Die Tiefe seiner
Bilder wird durch malerische Mittel erstrebt.
In den Landschaften gestaltet er die Tiefe durch
abgestufte Licht- und Schattenstreifen, durch
Baumgruppen oder Treppen und Straßenper-
spektiven. Bei den Interieurs und Figurenbil-
dern wird der Blick über die Ornamente zum
Hintergrund geführt; doch oft ist er so bunt,
daß die Raumwirkung wieder aufgehoben wird.
Seit 1911 hat sich Matisse zu seiner eigenen
Handschrift durchgerungen. Der lineare Stil
wird zugunsten des Kolorits verdrängt. Die
Sonne des Südens hat ihm — gleich vielen an-
deren — die Farbe vermittelt......dr. f. n.
HENRI-M ATISSE
»AM FENSTER« 1924
ten Helden und Märtyrer, denen die neuen
Altäre errichtet wurden. Ihr Geist beseelte die
ganze junge Künstlerschaft. Die klare Bildauf-
teilung und die festumrissenen Formen wurden
zur Losung der neuen Richtung. Matisse wußte
die Freiheit der Komposition zu wahren und
zu einem ganz bestimmten Schema zu verdich-
ten: große Farbflächen wurden — auf Haupt-
klänge abgestimmt — gegeneinandergesetzt.
Nicht vom Lichte kommt das Heil, sondern aus
der Farbe. Doch Farbe und Form sind verall-
gemeinert. Die Vereinfachung ist wohl nur die
Folge der Zertrümmerung der Tradition, an
deren Stelle man wieder Neues erfinden mußte.
Die Leere des Bildes wurde mit einem allzu-
weichen Ornament ausgefüllt, das im Rahmen
der Komposition alles andere überwucherte:
es war ein billiges Mittel, die Fläche zu füllen,
zu beleben und das Gleichgewicht herzustellen.
Doch das Auge gleitet spielerisch darüber hin-
weg und bleibt unbefriedigt. Die Farben jedoch
klingen in den reinsten Akkorden und schaffen
eine Atmosphäre, die in ihrer Klarheit und
Reinheit bisher noch nicht erreicht war. In den
früheren Bildern verspürt man einen Hauch
von Gauguins exotischer Palette; noch war die
Materie schwer und drückend; später wird sie
heller, lichter und von bezauberndem Glanz.
Die Auswahl der Motive ist sehr bescheiden:
Landschaft, Interieur, Odaliske und Porträt
wechseln sich einander ab. Die Tiefe seiner
Bilder wird durch malerische Mittel erstrebt.
In den Landschaften gestaltet er die Tiefe durch
abgestufte Licht- und Schattenstreifen, durch
Baumgruppen oder Treppen und Straßenper-
spektiven. Bei den Interieurs und Figurenbil-
dern wird der Blick über die Ornamente zum
Hintergrund geführt; doch oft ist er so bunt,
daß die Raumwirkung wieder aufgehoben wird.
Seit 1911 hat sich Matisse zu seiner eigenen
Handschrift durchgerungen. Der lineare Stil
wird zugunsten des Kolorits verdrängt. Die
Sonne des Südens hat ihm — gleich vielen an-
deren — die Farbe vermittelt......dr. f. n.