Viktor Tischler-Wien
viktor tischler—wien
»alter hafen« 1928
dungslos, an allen Weltströmungen orientiert
und dennoch mit einem Unterton, der sehr un-
verkennbar wienerisch ist. Diese Bilder aus
Marseille, in denen weder die südliche Sonne
funkelt, noch architektonische Grundformen sich
aufzwingen, sind gerade in ihrer farbigen Zu-
rückhaltung und ihrer intensiven Stimmung der
starke Ausdruck einer ganz persönlichen Kunst;
nicht an den Erzeugnissen anderer Künstler zu
messen, nicht mit den früheren Werken Tisch-
lers selbst zu vergleichen. In ihrer Art rund,
fertig, vollkommen. Ihren Urheber wird das
Gewicht des in ihnen Erreichten auch diesmal
nicht an weiterer Entfaltung seiner fruchtbaren
Begabung hindern.............. dr. h. t.
Der große Wert formgebender Kunstgedanken
wird uns erst anschaulich, wenn wir uns
klarmachen, daß erst und hauptsächlich hierin
die künstlerische Individualität liegt, die ein
Objekt aus der rein handwerklichen oder indu-
striellen Sphäre heraushebt, und noch mehr,
daß erst und hauptsächlich hier jene stilbilden-
den Momente zu suchen sind, die in ihrer Ge-
samtheit dem Kunststil einer ganzen Epoche
ihr Gepräge geben. Fast die ganze Abwechs-
lung, die in ästhetischen Dingen unerläßlich ist,
um die Langweile zu beseitigen, beruht auf
der von der künstlerischen Phantasie geborenen
Modifikation der Zweckformen, auf den be-
ständig sich ändernden, oft nur minimalen Ab-
weichungen der Schmucklinie von der Kon-
struktionslinie. Die beständige Modifikations-
möglichkeit ist aber die Quelle der ewig sich
erneuernden Freude an der Kunst überhaupt. .
Nicht die Begeisterung für das Gute, die
überall als selbstverständlich unberührt bleiben
mag, sondern die Begeisterung für das Schöne
hat alles Herrliche hervorgebrächt, was wir
als höchsten Kulturausdruck noch nach Jahr-
tausenden bewundernd genießen und was un-
serem Dasein den köstlichsten Inhalt verleiht.
Nicht diejenigen, die eine Kunstrichtung be-
kämpfen, sind die wesentlichsten Feinde; schon
dadurch, daß sie am Kampfe überhaupt teil-
nehmen, bezeigen sie ihr Interesse, und in ein-
zelnen Fällen behalten sie sogar recht. Die ge-
fährlichsten Feinde der Kunst sind alle Indiffe-
renten, Indolenten, Banausen, denen alles mehr
oder weniger gleichgültig ist. gustav e pazaurek.
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viktor tischler—wien
»alter hafen« 1928
dungslos, an allen Weltströmungen orientiert
und dennoch mit einem Unterton, der sehr un-
verkennbar wienerisch ist. Diese Bilder aus
Marseille, in denen weder die südliche Sonne
funkelt, noch architektonische Grundformen sich
aufzwingen, sind gerade in ihrer farbigen Zu-
rückhaltung und ihrer intensiven Stimmung der
starke Ausdruck einer ganz persönlichen Kunst;
nicht an den Erzeugnissen anderer Künstler zu
messen, nicht mit den früheren Werken Tisch-
lers selbst zu vergleichen. In ihrer Art rund,
fertig, vollkommen. Ihren Urheber wird das
Gewicht des in ihnen Erreichten auch diesmal
nicht an weiterer Entfaltung seiner fruchtbaren
Begabung hindern.............. dr. h. t.
Der große Wert formgebender Kunstgedanken
wird uns erst anschaulich, wenn wir uns
klarmachen, daß erst und hauptsächlich hierin
die künstlerische Individualität liegt, die ein
Objekt aus der rein handwerklichen oder indu-
striellen Sphäre heraushebt, und noch mehr,
daß erst und hauptsächlich hier jene stilbilden-
den Momente zu suchen sind, die in ihrer Ge-
samtheit dem Kunststil einer ganzen Epoche
ihr Gepräge geben. Fast die ganze Abwechs-
lung, die in ästhetischen Dingen unerläßlich ist,
um die Langweile zu beseitigen, beruht auf
der von der künstlerischen Phantasie geborenen
Modifikation der Zweckformen, auf den be-
ständig sich ändernden, oft nur minimalen Ab-
weichungen der Schmucklinie von der Kon-
struktionslinie. Die beständige Modifikations-
möglichkeit ist aber die Quelle der ewig sich
erneuernden Freude an der Kunst überhaupt. .
Nicht die Begeisterung für das Gute, die
überall als selbstverständlich unberührt bleiben
mag, sondern die Begeisterung für das Schöne
hat alles Herrliche hervorgebrächt, was wir
als höchsten Kulturausdruck noch nach Jahr-
tausenden bewundernd genießen und was un-
serem Dasein den köstlichsten Inhalt verleiht.
Nicht diejenigen, die eine Kunstrichtung be-
kämpfen, sind die wesentlichsten Feinde; schon
dadurch, daß sie am Kampfe überhaupt teil-
nehmen, bezeigen sie ihr Interesse, und in ein-
zelnen Fällen behalten sie sogar recht. Die ge-
fährlichsten Feinde der Kunst sind alle Indiffe-
renten, Indolenten, Banausen, denen alles mehr
oder weniger gleichgültig ist. gustav e pazaurek.
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