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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 63.1928-1929

DOI Artikel:
Sydow, Eckart von: Schöpfung und Erfindung in der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9253#0447

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JOSEF
HOFFMANN
»SILBERNE
VASEN«
WIENER
WERKST.

ä

SCHÖPFUNG UND ERFINDUNG IN DER KUNST

VON E. VON SYDOW

Der allgemeine Sprachgebrauch der Gegen-
wart mengt vielfach beide Ausdrücke:
Schöpfung und Erfindung, ohne Unterschied
durcheinander. Gern spricht man von tech-
nischen Schöpfungen, wenn man besonders lei-
stungsfähige Konstruktionen neuer Automobile,
Flugzeuge usw. vor Augen hat. Seltner redet
man von künstlerischen Erfindungen. Aber auch
in dieser ästhetischen Sphäre legte man in den
letzten Jahrzehnten oft genug ein entscheiden-
des Gewicht auf die Neuartigkeit der Form-
gebung, als ob der Wert einer künstlerischen
Erscheinung in hohem Maße von ihrer Neuheit
abhängig sei.

In Wirklichkeit sind beide Ausdrücke fast
gegensätzlicher Natur. Schöpfung hat einen
religiös getönten Hintergrund. Niemals
spricht man von der Welterfindung, sondern
immer von der Weltschöpfung. Das Überper-
sönliche , ja Übermenschliche der Abkunft und
die abgerundete Totalität des Werkes spricht

sich in solcher Formulierung mit aller Drastik
aus. Das Wort „Erfindung" aber steht mit be-
rechtigter Vorliebe dort, wo technische Lei-
stungen in einer zusammenhängenden Reihe
aufeinanderfolgen. Bei der Schöpfung tritt die
Welt als Gesamtheit aus übermenschlicher Kraft
hervor. Bei der Erfindung aber stellt jede Lei-
stung ein mehr oder minder rasch veraltendes
Produkt menschlichen Nachdenkens dar.

Vergleichen wir die Leistungen von Kunst
und Technik, so zeigt sich, wie sehr die Kunst
als Schöpfung zu betrachten ist. Denn jede
hohe Kunst schafft Werke, die vom Ablauf der
Zeit nicht eigentlich berührt werden. Ihr wah-
rer Wert wird zumeist erst erkannt, wenn die
Epoche ihrer Entstehung vorüberging. Nach
dem Ausklang der kunstpolitischen Kämpfe,
die eine neue Kunsterscheinung entfesselte,
nach dem Verhallen des kritischen Echos, das
ihr zuteil ward, tritt ihre wahre Bedeutsamkeit
zu Tage. Wie unklar war das eigentliche Künst-
 
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