MICHAEL
TOMBROS-
PARIS...
SITZENDE
MICHAEL TOMBROS-PARIS
VON WOLFGANG BORN
Aus Griechenland zu stammen, kann für
XY einen Bildhauer ebenso Gunst wie Fluch
bedeuten, je nach der Kraft und Einsicht, die
er aufbringt. In den Hallen der Museen, und
mehr noch im Bewußtsein der Menschen stehen
in drohender Vollkommenheit die marmornen
Götter — ungeheure Verpflichtung für den
Nachgeborenen, erdrückend durch das Gewicht
der Tradition. Auch dem jungen Michael Tom-
bros ist die Auseinandersetzung mit der Antike
zum Schicksal geworden.
1889 in Athen als Sohn eines Baumeisters
geboren, macht er in seiner Heimatstadt die
übliche akademische Ausbildung durch, und
wird zu Studienzwecken nach Paris gesandt.
1920 erhält er in Athen selbst eine Lehrstelle,
Staatsaufträge werden ihm übertragen, und er
macht Dinge, die dem griechischen Geist um so
ferner sind, je mehr sie seine Maske tragen. Bis
er schließlich alles Erreichte liegen läßt und auf
eigene Faust nach Paris zurückkehrt. An der
Plastik Maillols schult er sich. Er ringt um
Beseelung der Form, um Gleichgewicht der
Masse, um Einklang der Proportionen — und
jenseits aller antiquarischen Bemühungen öffnet
sich dem ehrlich Suchenden in der Fremde die
Seele der hellenischen Heimat.
In Paris traf er auf Tendenzen, die ihm ent-
gegenkamen: der ruhelose Intellekt einer Gene-
ration, die der Willkür müde geworden war,
suchte an der Antike Halt. Tombros erfuhr
das Glück, sein innerstes Wesen von den Zeit-
genossen bestätigt zu sehen. Er wurde frei.
Nun brauchte er nur in sich zu blicken, um mit
gelassener Sicherheit Werke zu formen, deren
stilistische Gestalt zwanglos das Ziel der nord-
europäischen Gefährten verwirklicht, Klassizist
nicht aus Überlegung, sondern vom Blute her.
215
TOMBROS-
PARIS...
SITZENDE
MICHAEL TOMBROS-PARIS
VON WOLFGANG BORN
Aus Griechenland zu stammen, kann für
XY einen Bildhauer ebenso Gunst wie Fluch
bedeuten, je nach der Kraft und Einsicht, die
er aufbringt. In den Hallen der Museen, und
mehr noch im Bewußtsein der Menschen stehen
in drohender Vollkommenheit die marmornen
Götter — ungeheure Verpflichtung für den
Nachgeborenen, erdrückend durch das Gewicht
der Tradition. Auch dem jungen Michael Tom-
bros ist die Auseinandersetzung mit der Antike
zum Schicksal geworden.
1889 in Athen als Sohn eines Baumeisters
geboren, macht er in seiner Heimatstadt die
übliche akademische Ausbildung durch, und
wird zu Studienzwecken nach Paris gesandt.
1920 erhält er in Athen selbst eine Lehrstelle,
Staatsaufträge werden ihm übertragen, und er
macht Dinge, die dem griechischen Geist um so
ferner sind, je mehr sie seine Maske tragen. Bis
er schließlich alles Erreichte liegen läßt und auf
eigene Faust nach Paris zurückkehrt. An der
Plastik Maillols schult er sich. Er ringt um
Beseelung der Form, um Gleichgewicht der
Masse, um Einklang der Proportionen — und
jenseits aller antiquarischen Bemühungen öffnet
sich dem ehrlich Suchenden in der Fremde die
Seele der hellenischen Heimat.
In Paris traf er auf Tendenzen, die ihm ent-
gegenkamen: der ruhelose Intellekt einer Gene-
ration, die der Willkür müde geworden war,
suchte an der Antike Halt. Tombros erfuhr
das Glück, sein innerstes Wesen von den Zeit-
genossen bestätigt zu sehen. Er wurde frei.
Nun brauchte er nur in sich zu blicken, um mit
gelassener Sicherheit Werke zu formen, deren
stilistische Gestalt zwanglos das Ziel der nord-
europäischen Gefährten verwirklicht, Klassizist
nicht aus Überlegung, sondern vom Blute her.
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