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NICCOLO PISANO.
und zwar liegen die Verdiente diefes Bildwerkes lowohl in der Richtung auf
Formentchönheit als auch auf energifchen Ausdruck. Es ift hier wieder ein
ftärkerer Einhuts der Antike wahrzunehmen als an den Reliefs der Sienefer
Kanzel. Die flehende weibliche Figur erinnert in ihrer Schönheit an NiccoloL
Mariendarftellungen zu Pita, doch ift der Gehchtsausdruck zu gleicher Zeit
milder und lebhafter. Wohl mit Recht leitet Cicognara Geftalt und Stellung
des gefttirzten Pferdes von der Nachahmung jener antiken Sarkophagbilder her.,
welche Circustpiele von Eroten darftellen. Im Campo fanto zu Pita hnden hch
zwei tolche Kindertarkophage mit geftürzten Pferden (bei Lasinio tav. LXX und
tav. LXXVIII). Auch die weibliche Geftalt, die links in der Ecke dem Belchauer
nahezu den Rücken zukehrt, ift durch directe Nachbildung antiker Ammenfiguren
zu erklären. Andererfeits hnden hch auf derfelben Platte Gehalten, welche der
genauen Beobachtung des Lebens ihren Urfprung verdanken; ich meine die
Mönche mit ihrer Tonfur und den herabgelaffenen Kappen, fb wie die mit dem
am Boden liegenden Reiter eifrig und theilnehmend befchäftigten Jünglinge mit
den eng anliegenden Kopfbekleidungen. Die zuletzt genannte Gruppe bildet
räumlich und geiftig in fchönfter Weite den Mittelpunkt der ganzen Darftellung.
Im Allgemeinen haben die Gehalten an der Area längere Verhältniffe als die-
jenigen an der Kanzel zu Pita; das Coftüm hat mit dem zu Siena die reichen
Stickereien und Franzen gemein. Neben dem foeben befchriebenen Relief ih
jenes Wunder in Languedoc dargehellt, wodurch die Bücher der manichäitchen
Ketzer verbrennen, während die des heil. Dominicus die Feuerprobe überhehen.
Auch hier wieder erinnern einige Gehalten, fb vor allen die vornehm dahehende
weibliche Figur, an die antikihrende Manier der Kanzel zu Pita, während andere,
wie namentlich die behürzt in die Flammen blickenden Jünglinge dem Leben
näher hellen. Die Reliefs an den übrigen drei Seiten der Area weiten im All-
gemeinen denfelben Stil auf, wie die Bilder der Vorderfeite, nur ih die Arbeit —
belbnders an den Reliefs aus der Reginald-Legende an der Rückfeite — flüchtiger
und flauer, der Ausdruck der Köpfe fchwächer und kühler, Mängel, welche
NiccoloL Mitarbeiter zur Lah fallen mögen. Ob unter Meiher mit teinem Ge-
hilfen die Hauptarbeit am Dominicus-Gfabmal in der Zeit zwilchen der Voll-
endung der Pifaner Kanzel und der Ueberhedelung nach Siena, alto zwifchen
1260 und 1266 gethan, dann aber vielleicht die letzte Hand erh im Jahre 126/, kurz
vor der Uebertragung des Leichnams, an das Werk gelegt, ih nicht mit Sicher-
heit zu tagen; doch dürfte es aus hilihifchen Gründen und auch chronologifch
wahrfcheinlich tein. Auf Grund glaubwürdiger Zeugniffe lätst hch nur behaupten,
dals die Area wefentlich ein Werk Niccolo's tei und dafs er der im Juni 126/
hattgehabten Uebertragung der Leiche des Heiligen in dietes tein Werk bei-
gewohnt habe.
Wohin Niccolo nach Vollendung der Sienefer Kanzel leine Schritte gelenkt,
ob er wieder dauernd in Pita gelebt, darüber laffen uns die Quellen im Dunkel.
Vafari weifs viel zu erzählen von ferneren Bild- und Bauwerken des Meihers in
verfchiedenen Städten Italiens, u. A. auch in Neapel. Da aber die Angaben Va-
fari's über diete ältere Epoche der italienilchen Kunhgetchichte in den Fällen,
wo he durch Urkunden controlirt werden können, immer wieder hch als unzu-
NICCOLO PISANO.
und zwar liegen die Verdiente diefes Bildwerkes lowohl in der Richtung auf
Formentchönheit als auch auf energifchen Ausdruck. Es ift hier wieder ein
ftärkerer Einhuts der Antike wahrzunehmen als an den Reliefs der Sienefer
Kanzel. Die flehende weibliche Figur erinnert in ihrer Schönheit an NiccoloL
Mariendarftellungen zu Pita, doch ift der Gehchtsausdruck zu gleicher Zeit
milder und lebhafter. Wohl mit Recht leitet Cicognara Geftalt und Stellung
des gefttirzten Pferdes von der Nachahmung jener antiken Sarkophagbilder her.,
welche Circustpiele von Eroten darftellen. Im Campo fanto zu Pita hnden hch
zwei tolche Kindertarkophage mit geftürzten Pferden (bei Lasinio tav. LXX und
tav. LXXVIII). Auch die weibliche Geftalt, die links in der Ecke dem Belchauer
nahezu den Rücken zukehrt, ift durch directe Nachbildung antiker Ammenfiguren
zu erklären. Andererfeits hnden hch auf derfelben Platte Gehalten, welche der
genauen Beobachtung des Lebens ihren Urfprung verdanken; ich meine die
Mönche mit ihrer Tonfur und den herabgelaffenen Kappen, fb wie die mit dem
am Boden liegenden Reiter eifrig und theilnehmend befchäftigten Jünglinge mit
den eng anliegenden Kopfbekleidungen. Die zuletzt genannte Gruppe bildet
räumlich und geiftig in fchönfter Weite den Mittelpunkt der ganzen Darftellung.
Im Allgemeinen haben die Gehalten an der Area längere Verhältniffe als die-
jenigen an der Kanzel zu Pita; das Coftüm hat mit dem zu Siena die reichen
Stickereien und Franzen gemein. Neben dem foeben befchriebenen Relief ih
jenes Wunder in Languedoc dargehellt, wodurch die Bücher der manichäitchen
Ketzer verbrennen, während die des heil. Dominicus die Feuerprobe überhehen.
Auch hier wieder erinnern einige Gehalten, fb vor allen die vornehm dahehende
weibliche Figur, an die antikihrende Manier der Kanzel zu Pita, während andere,
wie namentlich die behürzt in die Flammen blickenden Jünglinge dem Leben
näher hellen. Die Reliefs an den übrigen drei Seiten der Area weiten im All-
gemeinen denfelben Stil auf, wie die Bilder der Vorderfeite, nur ih die Arbeit —
belbnders an den Reliefs aus der Reginald-Legende an der Rückfeite — flüchtiger
und flauer, der Ausdruck der Köpfe fchwächer und kühler, Mängel, welche
NiccoloL Mitarbeiter zur Lah fallen mögen. Ob unter Meiher mit teinem Ge-
hilfen die Hauptarbeit am Dominicus-Gfabmal in der Zeit zwilchen der Voll-
endung der Pifaner Kanzel und der Ueberhedelung nach Siena, alto zwifchen
1260 und 1266 gethan, dann aber vielleicht die letzte Hand erh im Jahre 126/, kurz
vor der Uebertragung des Leichnams, an das Werk gelegt, ih nicht mit Sicher-
heit zu tagen; doch dürfte es aus hilihifchen Gründen und auch chronologifch
wahrfcheinlich tein. Auf Grund glaubwürdiger Zeugniffe lätst hch nur behaupten,
dals die Area wefentlich ein Werk Niccolo's tei und dafs er der im Juni 126/
hattgehabten Uebertragung der Leiche des Heiligen in dietes tein Werk bei-
gewohnt habe.
Wohin Niccolo nach Vollendung der Sienefer Kanzel leine Schritte gelenkt,
ob er wieder dauernd in Pita gelebt, darüber laffen uns die Quellen im Dunkel.
Vafari weifs viel zu erzählen von ferneren Bild- und Bauwerken des Meihers in
verfchiedenen Städten Italiens, u. A. auch in Neapel. Da aber die Angaben Va-
fari's über diete ältere Epoche der italienilchen Kunhgetchichte in den Fällen,
wo he durch Urkunden controlirt werden können, immer wieder hch als unzu-