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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Dobbert, Eduard: Niccolo Pisano: gest. um 1280
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0043

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BRUNNEN ZU PERUGIA.

29

Wenn Giovanni Pilano der Urheber der Reliefs an dem unteren Bechen des
Brunnens ift, fo hat fein Schönheitshnn Später gelitten, und er hat in diefer Hin-
hcht entfchieden Rtickfchritte gemacht. Da dürfte es denn wahrscheinlicher fein,
dats auch in den Sculpturen des unteren Beckens, wenn he auch von Giovanni
ausgeführt worden, doch *noch Niccolo's Geift waltet. Er, der berühmte und
altbewährte Meifter, wird die Seele auch diefes Unternehmens geweten fein. In
der That Scheint es mir leichter erklärlich, dats der hochbegabte Künftler, der
einen lo offenen Sinn für die plaftifche FormenSchönheit der Antike gezeigt hatte,
gegen Ende feiner künftlerifchen Laufbahn auch tiefer in das Wefen des antiken
Reliefftils eindrang, als dafs fein Sohn den Schönheitshnn, den er in der Jugend
beleihen, in Späteren Jahren wieder völlig eingebülst haben tollte. Diefen Schön-
heitshnn legen auch die noch nicht erwähnten Brunnen-Reliefs an den Tag, und
zwar die Scenen aus dem alten Teftamente nicht minder als die Illuftrationen
äfbpifcher Fabeln und die auf die Gründung Roms bezüglichen Tafeln.
Die Figuren an den Ecken des zweiten Beckens, theils Heilige des alten und
neuen Teftaments, theils allegorifche und hiftorifche Gehalten, die hch zumeift
auf die localen Verhältniffe Perugias beziehen, tragen im Allgemeinen den Cha-
rakter der Einzelhguren an den Kanzeln zu Siena und Pifa, und fo zweifle ich
denn auch nicht daran, dats wir auch hier wesentlich ein Werk NiccoloT vor
uns haben.
Aufser Niccolo und Giovanni hat aber auch Arnolfo di Cambio leinen An-
theil an diefem Werke. Bereits im Auguft des Jahres 1277 befchliefst der Rath
von Perugia hch an den König Karl I. von Neapel, in deffen Dienft Arnolfo
damals Fand, mit der Bitte zu wenden, den Künftler zu den Arbeiten am Brunnen
zu entlaffen, was denn auch Schon im September deffelben Jahres gefchieht.
Während man früher annahm, dats trotzdem Arnolfo nicht nach Perugia ge-
kommen, ift neuerdings eine Notiz aus dem Jahre 1281 veröffentlicht worden,
wonach Arnolfo für 24 Tage, während deren er am Brunnen gearbeitet, towie
für einige Auslagen im Intereffe des Werkes eine Zahlung empfängt. War ihm
vielleicht auch der Auftrag zu Theil geworden, die Felder zwifchen den Statuetten
am zweiten Becken mit Relieftafeln auszufüllen, eine Arbeit, die dann aus irgend
einem Grunde unterblieb ?

In Sehr bedeutender Weite kommt NiccoloT Kunftweife fchliefslich an dem
Schon genannten Portalrelief des Domes in Lucca zur Erfcheinung. Man heht
hier im Tympanon eine hgürenreiche ^Kreuzabnahme«, die fchön in den Raum
componirt und, obgleich die traditionelle Anordnung der Hauptfiguren beibehalten
worden, doch voller Leben und Ausdruck ift. Diefes Werk ift, wie Schon früher be-
merkt, für eine Jugendarbeit NiccoloT gehalten worden, die er lange vor der Kanzel
zu Piia geliefert hätte. Nun Spricht aber aus diefem Reliefbilde eine Innigkeit
der Empfindung, wie tle an der Kanzel zu Pifa nicht wahrzunehmen ift. Auch be-
weiten die Reliefs an der Kanzel, dats Niccolo damals noch nicht gelernt hatte,
den Raum to Schön zu füllen, wie das an dem Werke in Lucca der Fall ift.
Endlich letzt das Verhalten zur Antike, wie es uns an dem letzteren Relief ent-
gegentritt, eine gereifte Kunft voraus; denn hier finden wir nicht jene äufserliche
Herübernahme antiker Motive, wie an der Kanzel zu Pifa, tondern das antike
 
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