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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Dobbert, Eduard: Giovanni Pisano: Geb. in Pisa um 1250; gest. 1320
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0048

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GIOVANNI PISANO.

nungen über diele Arbeit zu erfehen. Dann fanden wir ihn gegen Ende der
hebziger Jahre inSchriftlich am Brunnen zu Perugia wieder. Er mufs damals auch
als Architekt bereits Bedeutung erlangt haben, da ihm der Bau des Campo fanto
in Pifa anvertraut wurde,, welchen er vom Jahre 1278 an betrieb. Um Siena hat
er lieh offenbar Schon früh befondere Verdienfte erworben. Bereits 1284 wurde
ihm dafelbft das Bürgerrecht und lebenslängliche Abgabenfreiheit ertheilt. In den
Jahren 1290 und 129$ finden wir ihn urkundlich ebenda als Dombaumeifter, und
zwar wird bereits in dem erften diefer beiden Jahre bei Gelegenheit eines Straf-
erlaffes hervorgehoben, wie Giovanni adern Dombau lehr nützlich und nothwendig
fei und wie ohne ihn das von ihm begonnene Werk nicht wohl vollendet werden
könne.« Unterdeffen hatte er auch an anderen Orten gearbeitet, fo namentlich
in Arezzo, deffen Dom von ihm einen reich mit Sculpturen ausgeflatteten Altar
aus dem Jahre 1286 befitzt. 1300 finden wir ihn in Prato und zwar fbwohl als
Baumeifter wie als Bildhauer beschäftigt, in dem darauf folgenden Jahre vollendete
er laut Infchrift die Kanzel in S. Andrea zu Piftoja und bald darauf das Schöne,
leider aber fehl* verdorbene Weihwafferbecken in S. Giovanni fuor civitas ebenda.
Darauf fertigte er das Grabmal des Papftes Benedict XI. zu Perugia, welches ihn
als tüchtigen Portraitbildner kennen lehrt, und vollendete im Jahre 1311 die
Kanzel für den Dom zu Pifa, eine Arbeit, welche ihm fchon 1302 übertragen worden.
Es feien hier nur einige der Werke diefes, wie man fleht, vielbefchäftigten
Meiflers befonders hervorgehoben, um an ihnen die Eigentümlichkeiten feiner
Kunftweife zu erläutern.
Ein Vergleich feines erften auf uns gekommenen felbftändigen Werkes, des
Altares zu Arezzo, mit den Sculpturen am Brunnen zu Perugia beftärkt mich in
der oben ausgesprochenen Anficht, dafs diefe letzteren der Erfindung nach wefent-
lich noch Niccolo zugefchrieben werden müffen, denn die plajtifche Ueberladung
des Aretiner Altars hat nichts gemein mit der Schlichten Anordnung der Sculp-
turen zu Perugia. Dazu kommt ein Realismus in der Darftellung der menfeh-
lichen Figuren, der ebenfalls in diefer Weife dem älteren Werke fremd ift.
Noch lehrreicher als der Vergleich der beiden eben genannten Arbeiten
dürfte derjenige von Giovannfs Kanzel in Piftoja mit der Kanzel Niccolo's in Pifa
fein. Giovanni hat den Gefammtaufbau des Pifaner Werkes nachgeahmt; auch
behandeln vier feiner Reliefbilder an der Brüftung diefelben Gegenftände, die wir
dort fanden. An die Stelle der ^Darbringung im Tempel« ift der ))bethlehemitifche
Kindermord« getreten. Der Geht, aus dem heraus Giovanni feine Gruppen und
Geftalten Schuf, ift aber ein ganz anderer. Das Streben nach lebhaftem Ausdruck,
welches bereits die Sienefer Kanzelreliefs NiccoloN charakterihrte, ift hier zum
Alles beherrschenden Princip erhoben. Von plaftifcher Ruhe ift hier nichts
mehr wahrzunehmen. Statt deffen find die Geftalten von der dem Momente, der
Situation entfprechenden Empfindung erfüllt. Wie lebhaft erfchrickt die matronen-
haft, keineswegs aber junonifch aufgefafste Maria, da ihr der freundliche Engel
die Verkündigung bringt. Wahrhaft ergreifendes dramatisches Leben durchdringt
die Darftellung des nKindermordes«. Die Wuth des Herodes, die Verzweiflung
der Mütter ift aufs Kräftigfte betont. Die unglücklichen Frauen mit ihren ver-
zerrten Geflehtem und dem weit aufgeriffenen Munde Scheinen laut zu Schreien.
Giovanni hat lieh hier als Meifter im kräftigen Charakterifiren bewährt und darf
Somit wohl als Vorgänger GiottoN bezeichnet werden. In der ^Kreuzigung« er-
 
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