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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Semper, Hans; Dohme, Robert: Filippo di Ser Brunellesco: geb. in Florenz 1377, gest. daselbst 1446
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0225

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FILIPPO BRUNELLESCO.

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und Bewufstfein auszuüben, he von barbarilchen Schlacken zu fäubern. — Wur-
den nicht diele Anläufe, zu den klafhfchen Vorbildern zurückzukehren, wiederholt
aufgenommen von Italiens Künfllern? Man denke nur an Niccolo Pilano und
den Architekten von S. Miniato in Florenz.
Der gerade im Augenblick diefer Bewegung vom Auslande hereindringende
gothifche Stil vermag dann nur kurze Zeit feine Scheinherrlchaft zu friften; er
gibt den Gebäuden nur in dekorativer Weife einen oberflächlichen, an die echte
Gothik erinnernden Anftrich; die ftarre, conftructive Confequenz der nordifchen
Kunft jener Zeit vermag in Italien den antiken Sinn für breite Maffenanlagen,
für Raumverhältniffe, für die Horizontale ebenfo wenig zu verdrängen, als die an-
tiken Profile, Zierglieder und Ornamente lieh unterdrücken laffen.
Zu helleren Flammen aber Schlägt der fortglimmende Funke antiken Geiftes
erft wieder in den Werken der grofsen italienischen Dichter des 14. Jahrhunderts
auf. Dante, Petrarca und Boccaccio find infbfern die Vorläufer des Humanismus
und der Renaiffance, wiewohl allerdings Dante, trotz feiner Verehrung für das
Alterthum, anderfeits noch völlig in den mittelalterlichen Anlchauungen befangen
ifl, während Petrarca und Boccaccio auch in dielen lchon Sch der Renaiffance
nähern. Jetzt vor Allem aber ifl es auch wieder das in tiefem Verfall trauernde
Rom, wo dieles neuerwachende Gefühl der Italiener, Nachkommen der einftigen
Weltbeherrfcher zu fein, einen Mittelpunkt Sndet. Cola di Rienzi und Petrarca
begeifterten Sch an den Ruinen der heben Hügel für Roms und Italiens einftige
Gröfse. Zu Anfang des 15. Jahrhunderts ergeht Sch Poggio Fiorentino beim An-
blick der Ruinen bereits in Ichwermüthigen Betrachtungen über die Wechlelfälle
der Völkergelchicke.
Erft mit dem Beginn des 1$. Jahrhunderts aber tritt im Kunftleben und in
der Literatur jenes entlchiedene, mit aller Energie durchgeführte Zurück-
greifen auf die Schönheitsgefetze der Antike und auf das ganze Syftem ihrer
Formenwelt ein, welches wir als die »RenaiSSance« im engeren Sinne bezeichnen.
Gleichwohl erftirbt unter diefer Verehrung des Alterthums die eigene Schöpfer-
kraft der Zeit in keiner Weise. Nicht ein blolses Copiren antiker Formen ift
das Wefen der gelehrten und künftlerifchen Renaiffance, Sondern eine neue,
allerdings an den Vorbildern des Alterthums herangebildete Gedanken- und
Formenwelt führte Se herauf: Das freie Menfchenthum, welches in jedem In-
dividuum fein Recht der Sonderexiftenz fordert, tritt an die Stelle der mittel-
alterlichen Unterordnung des Einzelnen unter die Claffe, Freude an der Natur
und am Leben an die Stelle mönchischer Weltentlagung, fcholaftifcher und
myftifcher Abftraktionen. — Wenn aber das Schriftftellerwefen des 15. Jahr-
hunderts durch das philologische Ergründen der alten Klafhker immerhin am
Schöpferischen Auffchwung gehemmt ward, der erfl im 16. Jahrhundert ein-
trat, als die mit klaffifcher Bildung getränkten Geifier wieder zur lebendigen
Sprache der Nation zurückkehrten, fb weils dagegen die Kunft gerade im 15. Jahr-
hundert bei allem Streben, die antike Formenwelt in Sch aufzunehmen und zu
verbreiten, eine Originalität zu erreichen, wie he, wenigstens in der Architektur, im
16. Jahrhundert nicht durchgehends gewahrt wird, wo das akademilche und archaeo-
logilche Wiffen der freien Entfaltung der künftlerifchen Phantahe oft Abbruch thut.
Dem gegenüber mufs um fb mehr betont werden, dafs der erfte Architekt, der
in wirklichem, confequentem Studium auf das Ergründen der conftruktiven und
 
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