VASARI'S BESCHREIBUNG DER ZWEITEN THUR.
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Schlaf der ApoEel in drei verfchiedenen Stellungen ausgedrückt iE, und nach
diefem folgt, wie der Heiland gefangen wird und Judas ihn küfst, ein Bild, in
welchem viele Dinge zu beobachten find; denn die Apoftel fliehen, die Juden
aber, welche Chriftus gefangen nehmen, zeigen in ihren Bewegungen Gewalt und
Freude. Neben diefem Bild, im andern Thürfkigel, ift Chriflus an die Säule
gebunden; feine GeEalt, die fleh unter dem Schmerz der Schläge etwas beugt,
hat eine Mitleid erweckende Stellung, und man erkennt in den Geberden der
Juden, die ihn peitfehen, furchtbare Rachfucht und Wuth.
Hierauf folgt, wie er vor Pilatus fleht, der fleh die Hände wäfcht und ihn
zum Kreuze verdammt. Ueber dem Gebet am Oelberge auf der anderen Seite
und in der letzten Reihe der Darftellungen fleht man, wie Chriflus fein Kreuz
trägt und zur Richtftätte geht, von einem Schwarm Soldaten geführt, die ihn
mit roher Gewalt fortreifsen, während die Marien klagen und weinen, fo dafs,
wer es in Wirklichkeit fchaute, es nicht anders gefehen haben kann. ZunächE
diefem Bilde ifl Chriflus am Kreuz, ihm zu Füfsen fitzen trauernd und voll
Schmerz die Madonna und der hl. Johannes. Im andern Thürflügel folgt feine
Auferflehung; die Wächter vom Schalle des Erbebens betäubt, find gleich Todten,
Chriflus aber fchwebt nach oben und erfcheint durch die Vollkommenheit der
fchönen Glieder fürwahr als verklärt. Im letzten Raume endlich ifl die Aus-
giefsung des heiligen Geiftes, wobei Lorenzo denen, die ihn empfangen, fchöne
Stellungen gab."
Ghiberti hat in diefem Werk die malerifchen Elemente, welche bereits Giovanni
Pifano in den Reliefflil eingeführt hatte, noch flärker herausgebildet. In der tech-
nifchen Behandlung fchwang er fleh auf eine bis dahin unerreichte Höhe, während
fein Stil noch viel von dem der gothifchen Epoche an fleh hat, namentlich in
der Behandlung der Gewänder. Auch in der Compofltion zeigt fleh der Einflufs
des Giotto, während derfelbe im übrigen meift überwunden ifl. In der Orna-
mentik, in einzelnen Architekturtheilen und Geräthen kündigt fleh bereits die
Antike an, fodafs wir diefe Bronzethür als ein Denkmal des Uebergangsflils von
der Gothik zur Renaiffance bezeichnen dürfen. Der Trieb nach Handlung, den
Ghiberti zum flärkflen Ausdruck zu bringen fuchte, verleitete ihn oft, die oberften
Gefetze feiner Kunfl, Ruhe und imponirende Würde, zu übertreten. Befonders
leiden die Figuren der Evangeliflen und Kirchenväter unter dem Uebermafs der
Bewegung; dagegen ordnet fleh die Kreuzigung und die Verklärung am meiften
den Stilforderungen des Fachreliefs unter. Auch bei der Verkündigung, dem
lieblichften und anziehendflen der Reliefs, iE nach der Seite der Handlung des
Guten zu viel gethan.
Die KoEen der Thür beliefen Ech auf 22,000 Dukaten; 34,000 Pfund Bronze
waren dafür verwandt worden.
Während Ghiberti mit der Erzthür befchäftigt war, fand er die Zeit, noch
eine Reihe anderer Arbeiten auszuführen. ZunächE beEellte die Gilde der
KauEeute bei ihm eine BronzeEatue Johannes des Täufers für eine der Nifchen
an Or San Michele. Or San Michele oder San Michele in Orto war urfprünglich
eine Loggia, eine Markthalle für den Getreideverkauf gewefen. Jm Jahre 133/
wurde Ee ihrem früheren Zwecke entzogen und in ein Oratorium umgewandelt.
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Schlaf der ApoEel in drei verfchiedenen Stellungen ausgedrückt iE, und nach
diefem folgt, wie der Heiland gefangen wird und Judas ihn küfst, ein Bild, in
welchem viele Dinge zu beobachten find; denn die Apoftel fliehen, die Juden
aber, welche Chriftus gefangen nehmen, zeigen in ihren Bewegungen Gewalt und
Freude. Neben diefem Bild, im andern Thürfkigel, ift Chriflus an die Säule
gebunden; feine GeEalt, die fleh unter dem Schmerz der Schläge etwas beugt,
hat eine Mitleid erweckende Stellung, und man erkennt in den Geberden der
Juden, die ihn peitfehen, furchtbare Rachfucht und Wuth.
Hierauf folgt, wie er vor Pilatus fleht, der fleh die Hände wäfcht und ihn
zum Kreuze verdammt. Ueber dem Gebet am Oelberge auf der anderen Seite
und in der letzten Reihe der Darftellungen fleht man, wie Chriflus fein Kreuz
trägt und zur Richtftätte geht, von einem Schwarm Soldaten geführt, die ihn
mit roher Gewalt fortreifsen, während die Marien klagen und weinen, fo dafs,
wer es in Wirklichkeit fchaute, es nicht anders gefehen haben kann. ZunächE
diefem Bilde ifl Chriflus am Kreuz, ihm zu Füfsen fitzen trauernd und voll
Schmerz die Madonna und der hl. Johannes. Im andern Thürflügel folgt feine
Auferflehung; die Wächter vom Schalle des Erbebens betäubt, find gleich Todten,
Chriflus aber fchwebt nach oben und erfcheint durch die Vollkommenheit der
fchönen Glieder fürwahr als verklärt. Im letzten Raume endlich ifl die Aus-
giefsung des heiligen Geiftes, wobei Lorenzo denen, die ihn empfangen, fchöne
Stellungen gab."
Ghiberti hat in diefem Werk die malerifchen Elemente, welche bereits Giovanni
Pifano in den Reliefflil eingeführt hatte, noch flärker herausgebildet. In der tech-
nifchen Behandlung fchwang er fleh auf eine bis dahin unerreichte Höhe, während
fein Stil noch viel von dem der gothifchen Epoche an fleh hat, namentlich in
der Behandlung der Gewänder. Auch in der Compofltion zeigt fleh der Einflufs
des Giotto, während derfelbe im übrigen meift überwunden ifl. In der Orna-
mentik, in einzelnen Architekturtheilen und Geräthen kündigt fleh bereits die
Antike an, fodafs wir diefe Bronzethür als ein Denkmal des Uebergangsflils von
der Gothik zur Renaiffance bezeichnen dürfen. Der Trieb nach Handlung, den
Ghiberti zum flärkflen Ausdruck zu bringen fuchte, verleitete ihn oft, die oberften
Gefetze feiner Kunfl, Ruhe und imponirende Würde, zu übertreten. Befonders
leiden die Figuren der Evangeliflen und Kirchenväter unter dem Uebermafs der
Bewegung; dagegen ordnet fleh die Kreuzigung und die Verklärung am meiften
den Stilforderungen des Fachreliefs unter. Auch bei der Verkündigung, dem
lieblichften und anziehendflen der Reliefs, iE nach der Seite der Handlung des
Guten zu viel gethan.
Die KoEen der Thür beliefen Ech auf 22,000 Dukaten; 34,000 Pfund Bronze
waren dafür verwandt worden.
Während Ghiberti mit der Erzthür befchäftigt war, fand er die Zeit, noch
eine Reihe anderer Arbeiten auszuführen. ZunächE beEellte die Gilde der
KauEeute bei ihm eine BronzeEatue Johannes des Täufers für eine der Nifchen
an Or San Michele. Or San Michele oder San Michele in Orto war urfprünglich
eine Loggia, eine Markthalle für den Getreideverkauf gewefen. Jm Jahre 133/
wurde Ee ihrem früheren Zwecke entzogen und in ein Oratorium umgewandelt.