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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Woermann, Karl: Masaccio: geb. 1401 in San Giovanni, † wahrsch. 1428 in Rom
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0369

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MASACCIO.

malerifchen Stils zugehehen mufs, doch wahrfcheinlich der unherbliche Ruhm
bleiben, der eigentliche Bahnbrecher und Vollender der modernen Malerei ge-
wefen zu fein; denn die vollendetften und grofsartigften Gemälde der ganzen
Reihe, um die es hch, wie wir fehen werden, handelt, find nicht nur unbeftritten
von Masaccio's Hand gemalt, fondern he laffen auch ebenfo unbeftritten alle
früheren, ja auch alle fpäteren Gemälde diefes Jahrhunderts bis aufLionardo da
Alnci, der eine noch freiere und vollendetere Aera eröffnet, hinter hch zurück.
Diefer Mafaccio ift es daher, der aus der Reihe feiner zeitgenöfhfchen
Maler hervorgehoben und hier ausführlich behandelt werden mufs. Die Befchrei-
bung feines Lebens und feiner Werke wird uns zugleich Gelegenheit geben, einiger
jener anderen Künftler zu gedenken, deren Namen mit dem feinen eng verknüpft
find. Die Befchreibung feines Lebens und feiner Werke gehört aber freilich zu
den fchwerften der Kunftgefchichte. Bei jedem Schritte ftofsen wir auf Streit-
fragen und Probleme. In einigen Hauptfragen ftehen die Anhchten der neueren
Kunfthiftoriker, die feit Rumohr über Mafaccio gefchrieben haben, einander
noch immer gegenüber. Die neueften Schriftfteller über diefen Künftler (*) find
zu einander widerfprechenden Refultaten gekommen; und fein erfter Biograph,
Vafari, verwickelte hch gar felbft in Widerfprüche, die feinen oft zweifelhaften
Mittheilungen gegenüber in diefem Falle noch befondere Vorhcht empfehlen.
Im Folgenden foll verfucht werden, von dem Leben und Schaffen des grofsen
Künftlers ein fo zufammenhängendes Bild zu geben, wie es unter diefen Umftänden
möglich ift.
Es wird unmöglich fein, in einer Biographie Mafaccio's eine Reihe
von Streitfragen zu vermeiden, die dem Charakter diefer Blätter im Allgemeinen
fern bleiben follten. Indem ich aber diefe Erörterungen vorweg nehme, wird die
weitere Darftellung um fo glatter verlaufen können.
Zu Anfang des 1$. Jahrhunderts war Florenz die geiftigregfamfte Stadt nicht
nur Italiens, fondern ganz Europa's. Schon Dante, Petrarca und Boccaccio hatten
hch florentinifcherAbftammung gerühmt; und diegrofsenErneuerer der Architektur
und der Plaftik, Brunelleschi, Ghiberti und Donatello, waren ebenfalls Florentiner.
Auf horentinifchem Gebiete wurde auch Mafaccio geboren. Sein Geburtsort war
das Kaftell San Giovanni im oberen Arnothale; fein Geburtstag, der dem Apoflel
Thomas geheiligte Tag, war der 21. Dez. des Jahres 1401(2); fein Vater, der Notar
Ser Giovanni di Simone Guidi gehörte zur Familie Scheggia; fein Name Mafaccio
ift eine durch Kürzung und Anhängfel aus dem Namen des Schutzheiligen feines
Geburtstages, Tommafo, entftandene Form. Die Abkürzung diefes Namens lautet
nämlich Mafo, die Endung -accio deutet etwas geiftig oder körperlich Unge-
fchlachtes an, ja he kann auch etwas moralifch Abftofsendes bedeuten; aber
Vafari betont ausdrücklich, dafs unfer Künftler Mafaccio genannt worden, nicht
etwa weil er lafterhaft gewefen, da er doch die Herzensgüte felbft war,
fondern nur wegen feiner Unbeholfenheit, bei der er gleichwohl bereit gewefen,
Anderen Dienfte und Gefallen zu erweifen. Vafari erzählt uns auch, worin jene
Unbeholfenheit behänden, nämlich darin, dafs er feit feiner Kindheit hets fehr
zerftreut und achtlos gewefen, gleich Jemandem, der, da er Sinn und Streben einzig
den Angelegenheiten der Kunft zugewandt, hch wenig Sorgen um hch felbft,
 
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