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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Woermann, Karl: Fra Filippo Lippi: Geb. wahrsch.  1412 in Florenz, † 1469 in Spoleto
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0392

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FRA FILIPPO'S LEBENSLAUF.

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ihrer vortrefflichen Gefchichte der italienifchen Malerei zu dem letzteren, in der
zweiten (deutfchen) Ausgabe aber, da Filippo's Schuld inzwifchen urkundlich
feflgeftellt worden war, zu dem erfteren Mittel ihre Zuflucht genommen. Die
Schuld Filippo's befteht darin, dafs er, obgleich er Mönch war, eine Geliebte
hatte, die ihm einen Sohn geboren. Diefes Vergehen vom Standpunkt der geift-
lichen Disciplin aus zu beurtheilen, könnten wir uns an fich kaum veranlafst
fehen; im vorliegenden Falle können wir es um fo weniger, da es bekannt iff,
dafs in dem Jahrhundert, in dem unfer Künftler lebte, nicht nur die Welt, fondern
auch die Kirche felbft ziemlich gelinde über derartige Dinge dachte. Untere
httliche Entrüftung müfste daher jedenfalls mehr der Zeit und deren Inftitutionen
und Anfchauungen, als dem Manne gelten. Filippo Lippi war eben durch und
durch ein Sohn feiner Zeit, als Mönch, als Menfch und als Künftler; als Künftler
aber hat er fogar feinerfeits dem Jahrhundert einen guten Theil feines Charakters
verliehen.
Filippo's Vater war Metzger und hiefs Tommaso Lippi, feine Mutter, Frau
Antonia, ftarb bei feiner Geburt, wahrfcheinlich im Jahre 1412. Zwei Jahre dar-
auf ftarb auch der Vater, und der Knabe kam in die Obhut einer kränklichen
und völlig unbemittelten Tante, der Mona Lapaccia, einer Schwefter feines Vaters.
Die erften Jahre der Kindheit müffen dem jungen Filippo in äufserfter Dürftigkeit
verftrichen fein. Als er acht Jahre alt war, fah feine Pflegemutter die Unmög-
lichkeit ein ihn weiter zu erhalten und zu erziehen; he gab ihn daher in das
Karmeliterklofter, um ihn Mönch werden zu laffen. In der That erfcheint fein
Name im Jahre 1420 in der Kloherrolle. Als Novize kam er, wie die übrigen,
in die lateinifche Schule. Aber es zeigte fich bald, dafs Filippo wenig Luft und
Talent zum Studiren, um fo mehr Luft und Talent jedoch zum Zeichnen und Malen
hatte. Das Karmeliterklofter ftiefs an die zu ihm gehörige Kirche Sta. Maria del
Carmine; Mafacciö hatte hier gerade im Jahre 1421 feinen bahnbrechenden Fresken-
cyklus zu malen begonnen, fo dafs wir daher Grund anzunehmen haben, es fei das
Beifpiel des grofsen jungen Malers gewefen, welches den neun- bis zehnjährigen
Filippo mächtig anregte und ihm das Studium der lateinifchen Grammatik ver-
leidete. Der Prior des Kiofters war verftändig genug, der ausgefprochenen Neigung
und Begabung des Knaben nicht nur nicht entgegenzutreten, fondern fich der-
felben fogar fördernd anzunehmen. Ls wurde befchloffen, dafs Filippo Maler
werden follte, und wir können uns denken, dafs er jetzt mit doppeltem Eifer
die Gertifte Mafaccio's befuchte. Dafs diefer fich des talentvollen Knaben an-
genommen und ihn unterwiefen, erfahren wir nicht; aber bei der nahen Beziehung
der Kirche, in welcher Mafacciö malte, zu dem Klofter, in dem Filippo weilte,
wäre es faft unnatürlich, eine perfönliche Bekanntfchaft nicht vorausfetzen zu wollen.
Jedenfalls machte Filippo reifsende Fortfehritte, und fchon nach feinen erften
Jugendverfuchen in derfelben Kirche fagten Viele, wie Vafari fich ausdrückt,
der Geift Mafaccio's fei in den Leib des Bruders Filippo gefahren.
Von diefen jedenfalls vor dem 20. Jahre gemalten frühften Fresken Pllippo's
ift nichts erhalten; he find theils durch die Zeit vernichtet, theils durch den Brand,
welcher die Kirche im Jahre 1771 heimfuchte. Von einem heiligen Martialis,
den der junge Künftler an einen Pfeiler neben der Orgel gemalt, berichtet
4. *
 
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