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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Semper, Hans: Andrea del Verrocchio: geb. in Florenz 1435, gest. in Venedig 1488
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0533

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ANDREA DEL VERROCCHIO.

rocchio. Nicht blofs waren auch he als Bildhauer vorzugsweife tüchtige Bronze-
techniker und Toreutiker, nicht blofs nehmen he von Donatello die Prinzipien
clramatifch bewegter Handlung fowie eines eingehenden Naturhudiums an,
(Prinzipien, die hch befonders in ihrer gemeinfamen Vorliebe für nackte, bewegte
Figuren mit kräftigem Muskelfpiel äufserten), fondern auch in ihrer Gewandung
macht hch der Einhufs des gealterten Donatello in der Tendenz zu manierirter
Ueberladung geltend. Bei Antonio del Pollajuolo wird diefer Manierismus aller-
dings auch noch durch conventioneile Elemente verfchlimmert, die hch theils
aus feiner Goldfchmiedstechnik, theils aus einem Einhufs des Ghibertifchen,
weicheren, idealiftifchen Faltenwurfs ergeben mochten.
Den reinften und naturwahrften Stil von diefen dreien erwirbt hch noch
Verrocchio, obwohl auch feine Gewandung oft manierirt und gelegentlich
fchwtilhig ift. Wenn man jedoch feine Thätigkeit im Ganzen betrachtet, nimmt er
am vollftändigften und gründlichhen die fruchtbaren, umgehaltenden Tendenzen
Donatello's wieder auf und erfcheint fomit als deffen bedeutendher und
würdigher geihiger Erbe. Wenn er auch deffen Genie, poetifche AuTaffung
und Stilgröfse bei weitem nicht erreichte, fo hat er dagegen das vor ihm voraus,
dafs er das Studium der Natur nicht mehr der blofs äufseren, künftlerifchen
Beobachtung und Wahrnehmung überläfst, fondern auf ftrcnge, wiffenfchaftliche,
conhructive Gefetze zurückzuführen bemüht ih.
Wie er folchermafsen gleichfam als Erneuerer und Vertiefer wenighens
eines Theiles der Prinzipien Donatello's fofort in die Lücke eintritt, die deffen
Tod hinterläfst, fo übt er auch eine ähnliche fchulbildende Wirkung auf die
jüngere Künhlergeneration aus, ja hat das Glück auf den Entwickelungsgang
eines der gröfsten Geiher der Renaiffance, Lionardo's da Vinci, nachhaltigen und
prinzipiellen Einhufs zu gewinnen. Und wenn Donatello als Zeichner und Plaftiker
auch auf die Maler feiner Epoche eine tiefgehende Wirkung äufserte, fo tritt
Verrocchio vorzugsweife auf dem Gebiete der Malerei als Neuerer auf, infofern
er auch in der Technik des Oelmalens bisher nicht geübte exacte Prinzipien
einführte.
Andrea di Michele di Francesco Cioni, genannt Verrocchio, wurde im Jahre
1435 zu Horenz geboren in der Kirchengemeinde S. Ambrogio, wo fein Vater
Michele an der Ecke der Via dell' Agnolo ein Haus befafs. Schon diefem
fcheint der bewegliche Geht eigen gewefen zu fein, durch den hch nachmals
fein Sohn auszeichnete. Er war Ofenmacher, liefs hch aber 1431 auch in die
Zunft der Steinhauer aufnehmen, übte alfo auch fchon die Kunlt aus. ln feinen
alten Tagen (1456) begegnet man ihm als nvenditore in dogana«. Andrea's Mutter,
Madonna Gemma, harb vor dem Jahre 1446, in welchem Michele bereits mit
einer zweiten Frau, Nannina, vermählt ift, die in einer Vermögensanzeige aus-
drücklich als Stiefmutter des Andrea bezeichnet wird. Andrea hat feine Mutter
wohl kaum gekannt, vielleicht ftarb he bei feiner Geburt. Jedenfalls war
er das letzte der Kinder, mit dem he ihren Gatten befchenkte. In einer Ver-
mögensanzeige des Michele vom Jahre 1433 werden als Kinder aufgeführt:
Apollonio 4 Jahre, Cione 10 Jahre, Tommafo 7 Jahre, Giovanni 3 Jahre,
Margherita 1 Jahr alt. Zwei Jahre fpäter kam Andrea hinzu. Andrea's Schwefter
 
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