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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Vischer, Robert: Giovanni Antonio de' Bazzi, genannt il Sodoma: geboren c. 1477 in Vercelli, † 1549 in Siena
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0583

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GIOVANNI ANTONIO DE' BAZZI.

tonio dei Bazzi, war Schuhmacher, fein erfler Lehrer ein gewiffer "Martino
de' SpanzotisK, von dem uns keine Werke bekannt find. Als dreizehnjähriger
Knabe kam er in deffen Werkflätte und blieb dort fechs Jahre. Dann verliefs
er feine Vaterfladt, und es ifl, wenn auch keineswegs pofitiv erwiefen, fo doch
kaum zu bezweifeln, dafs er nun nach Mailand ging und dort ein Schüler des
Lionardo da Vinci wurde oder zum Minderen deffen Kunftweife in feinen Werken
aufs Genauefte fludirte. Zu diefer Annahme find wir durch den entfchieden lionar-
desken Stilcharakter gezwungen, der ihm in ähnlicher Uebertragung eigen ift wie
dem Bernardino Luini, Andrea Solari und Cefare da Seflo. Jedoch lange hat jeden-
falls diefer Aufenthalt und fein wohlthätiger Einflufs nicht gedauert; denn das
Jahr 1501 zeigt bereits die Spur des Malers in Siena, wohin er nach dem
Berichte Vafari's Murch mehrere Kaufleute, Agenten der Spannochi, berufen
wurde. K
Mit Sodoma's Eintritte in Siena kommt der verkümmerte Baum der dortigen
Malerei noch einmal in's Blühen. Signorelli's und (1502—ißoy) Pinturicchio's
vorübergehende Anwefenheit hat wohl anfehnliche Beifpiele des Rinascimento
hinterlaffen; doch dies iE nur von halbem Belang im Vergleich mit der Thätig-
keit des dort angefiedelten Sodoma. Nun verlohnt es fleh wieder, von einer
Sieneflfchen Schule zu reden, wenn auch in ganz anderem Sinne wie von der
alten gothifchen. Lag es im Wefen jener, innerhalb einer faft noch byzantinifchen
Compofltionsweife einem tiefen, intimifJifchen Gefühlsleben fcheuerregten, ge-
hcimnifsvollen Ausdruck zu verleihen, fo erfcheint uns diefe als ein offenes, rafch-
blütiges, gerne lächelndes Weltkind. — So kann man fleh auch aus den Werken
Sodoma's die bekannten Worte Lanzi's: nLieta fcuola fra lieto popolow einiger-
mafsen erklären, welche mit Rückficht auf die alten Meifler gewifs verfehlt find. —
Vafari fagt: Mn den erflen Jahren feines Aufenthaltes in Siena malte er
viele Bildniffe nach der Natur in dem glühenden Colorit, welches er fleh in der
Lombardei angeeignet hatte, und fchlofs viele Freundfchaften, mehr weil die
Bewohner jener Stadt Fremden fehl* geneigt find, als wegen feiner Verdiente
als Maler.M Von diefen Portraits findet fleh in Siena und anderen Ort's keines
mehr. Das flark nachgedunkelte SelbEportrait des Malers in den Uffizien zu
Florenz flammt bereits aus dem Mannesalter.
Sodoma hielt fleh überhaupt in feinem Jugendflil noch ziemlich treu an den
mailändifchen Brauch und liefs nur fparfame Einflüffe der toskanifchen und um-
brifchen Kunfhveife zu. Fionardo — freilich auch ein Toskaner — erfcheint
wie fein guter Genius. So lange er ihm folgt, hat er auch Thcil an feinem fo-
liden und doch zugleich fo feinen, delikaten Formenflnn, fobald er fleh von ihm
entfernt, um fein Wefen frei und wahrhaft zu entfalten, beginnt er leichtfinniger
zu werden. — Solch ein im flrengeren Sinne mailändifches Gepräge zeigt das
Tafelgemälde der Kreuzabnahme, welches, urfprünglich in der Kirche S. Fran-
cesco, jetzt in der Stadtgalerie (N. ß//) zu Siena fleh befindet. Es ifl die
befle Compofltion Sodoma's. Nie hat er fpäter wieder eine Mehrzahl von Figuren
fo ftreng und zugleich natürlich gruppirt. Die Mannigfaltigkeit im Ausdruck des
Schmerzes, der tiefe Frnft, der ihm zu Grunde liegt, verdient aufrichtige Be-
wunderung. Voll Grofsheit.iff befonders die Geflalt der zufammenbreehenden
 
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