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Eder, Josef Maria
Geschichte der Photographie (Band 2) — Halle (Saale), 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.27416#0160

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Einundsiebzigstes Kapitel.

und überdies die Veröffentlichung später als jene der Brüder Lumiere u. A.
erfolgte, so kann wohl diesen ihre Priorität kaum bestritten werden.

Ausführlich behandelt das Geschichtliche G. M. Coissac in seiner ,,Hystoire
du Cinematographie“. Paris 1925 (Gauthier-Villars).

Zeitraffer und Zeitlupe.

Zur Geschichte, der Zeitraffer-Aufnahmen sei bemerkt, daß der österreichische
Physiker Prof. Ernst Mach in Prag (S. 732) im Jahre 1888 zuerst den Gedanken aus-
sprach (Eders Jahrb. f. Phot. 1888, S. 286), durch die beschleunigte stroboskopische
Wiedergabe von sehr langsamen sich auf Tage und Monate erstreckenden Reihenauf-
nahmen bisher unbekannte Gesetze von UmwandlungsVorgängen erforschen zu können;
z. B. beim Pflanzenwachstum1), bei der Entwicklung eines Embryo oder von Lebewesen
usw. Er erwähnte auch schon, wie instruktiv es wäre, den Gang der Planeten räumlich
und zeitlich zu verkleinern, Ideen, die erst viel später (Z e i ß’ Planetarium) realisiert
wurden, ohne von der Priorität E. M a c h s Kenntnis zü haben. Viel später, erst im
Jahre 1896, trat Georges Gueroult in die Öffentlichkeit, als er von der Pariser
Akadmie der Wissenschaften ein am 11. Juni 1889 dort niedergelegtes Schriftstück
öffnen ließ, das denselben Gedanken der „Zeitraffung“ aussprach.

Bei der „Zeitlupe“ wird der entgegengesetzte Vorgang eingehalten; sie dient
zur Bewegungsanalyse. Man macht bis zu mehreren tausend Kinoaufnahmen in der Se-
kunde und führt sie mit der normalen Geschwindigkeit (16 Bilder in der Sekunde) vor.

Bei intermittierender Eilmschaltung ist die Frequenz begrenzt; man hat mit
besonderen Greiferkonstruktionen bis zu 250 Bilder in der Sekunde erreicht. Höhere
Frequenzen gestattet der optische Ausgleich der Bildwanderung. Eine praktische
Ausgleichvorrichtung mit Spiegeln erfand August M u s g e r (geb. am 1. Februar 1869,
gest. am 20. Oktober 1929). Er war in Steiermark geboren, studierte am Knaben-
seminar und an der Theologischen Fakultät der Universität in Graz, wurde Priester und
Professor für Zeichnen und Mathematik im katholischen Knabenseminar. Er konstru-
ierte Spiegelkino-Apparate, erhielt darauf 1905 ein deutsches Patent, führte seinen
Apparat 1907 an der Grazer Universität vor und wurde hiermit der Begründer einer
ganz neuen Konstruktion von Filmapparaten. Die Auswertung der M u s g e r sehen
Welt patente sollte in Ulm durch eine Gesellschaft erfolgen, die aber in Zahlungs-
schwierigkeiten geriet, so daß die Patente verfielen. In den letzten Jahren meldete er
verschiedene neue Patente an. Der Dresdener Filmtechniker Dr. H. Lehmann
(S. 973) griff die Musgerischen Patente auf, prägte den Namen „Z e i 11 u p e“ für jene
Apparate, welche die Firma Ernemann in Dresden in den Handel brachte. Die
Erfinderansprüche M u s g e r s gab H. Lehmann unumwunden selbst zu.
M u s g e r hatte niemals finanzielle Erfolge, wirkte hingebend als Lehrer und Er-
finder (Biographie von Albrecht Graf von Meran in „Filmtechnik“, 1929, S. 503).

Schmal- und Klein-Kinofilm.

Das Normalformat für Kinofilme wurde seit Edison (S. 724) mit 35mm
Breite standardisiert (Bildgröße der Negative 18 : 24 mm). Nach vielseitigen Versu-
chen kamen um das Jahr 1923 Schmal- oder Klein-Filme von Kodak
(Amerika) mit 16 mm und von Pathe (Paris) mit 9,5 mm Film-Breite in den
Handel. (Vgl. H. P a n d e r , „Filmtechnik 1931, Heft 15.)

1) Ludwig Mach, der Sohn Ernst M a c h s , führte die kinematographische
Zeitraffung beim Pflanzenwachstum praktisch durch (Phot. Rundschau 1893, S. 121).
 
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