Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 2.1900

DOI Artikel:
Hampel, Carl: "Frei bildenende Künstler" "Freie Luft von außerhalb"
DOI Artikel:
Wieck, Hans: Fürst Pückler-Muskau in der Beurteilung seiner Zeitgenossen, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22267#0154

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
142

DIE GARTENKUNST

rufene seine Unwissenheit probieren kann'? Erfordert die
naturwahre Durchbildung des Grund und Bodens aus dem
rohen und unfertigen Terrain, die Vollendung einer schön-
heitlichen Linienführung nicht ebensoviel künstlerisches
Können und Verständnis, wie sie der Bildhauer für seine
Werke gebraucht? Der Aufbau der Gehölzmassen, um
schönwirkende Bilder zu schaffen, nicht ebenso Kennt-
nisse und Schönheitssinn, ebensolche Beherrschung in
der Zusammenstellung der Farben, wie sie dem Maler für
seine Werke notwendig sind? Die Kenntnis vom Material
sowohl in der niederen wie Baumvegetation, dem Strauch-
und Pflanzenmaterial u. s. w., sind sie nicht ähnliche als
sie dem Architekt für sein Material eigen sein müssen,
will er seine Werke formvollendet schaffen? Wenn aber
eine solche Fülle von Kenntnissen für die Ausübung einer
Kunst vorhanden sein mufs, warum denn das ewige Her-
umzerren daran? Das Wesen der Gartenkunst und ihre
Förderung liegt in ihr selber begründet, sie bedarf dazu
keiner anderen Kunst. Wohl aber zieht sie die anderen
Künste, Bildhauerei und Architektur, in die ihre hinein,
sie weist ihnen Plätze darin an, aus denen sie sich heraus-
heben sollen und schmückt und umkleidet sie zu deren
Vorteil.

Für ängstliche Gemüter, für die Halbgebildeten und
alle, welche dies nicht so recht fassen können, sei es zum
Trost gesagt, dafs hierunter nicht ein Sichabschliofsen der
Gartenkunst gegen andere Künste zu verstehen ist, sondern
darin allein eine freie Ausübung der Gartenkunst besteht,
zum Besten dieser.

Also „freibildende Künste", „freie Luft von
aufserhalb", armselige Schlagwörter, möchtet ihr
niemals die schöne und bildende Gartenkunst in ihrem
freien Schaffen, ihrem naturwahren und künstlerischen
Bilden beeinträchtigen und in armselige Knechtung bringen,
die nichts von wahrer, freier und bildender Kunst versteht!
Und deshalb sei bei allen Werken der Gartenkunst unser
alter Ruf: Künstler heran, aber Gartenkünstler!

Lebensbilder bedeutender Gartenkünstler.

Fürst Pückler-Muskau in der Beurteilung seiner Zeit-
genossen.*)

-........-Von-Hans Wieck.

Noch während der letzten Periode der schöpferischen
Thätigkeit Goethes begann die neu auftretende Romantik
ihren Kampf gegen die Nüchternheit der damals' noch
herrschenden Aufklärung und brachte aufser manchem
Guten auch viel Willkür in die Litteratur. Eine leidige
Mischung von Poesie, Religion und mystischer Philosophie

:/;) Als Hauptquelle für das -Folgende diente mir die Biographie von
Ludmilla Assing (erschienen in den 7Öer Jahren in Hamburg). Aufser-
dem benutzte ich Petzolds Buch über Pückler, Laubes „Deutsche Literatur-
geschichte", den ebenfalls von L. Assing. herausgegebenen litterarischen
Nachlafs Pücklers, einen in der „Margdcburger Zeitung" veröffentlichten
Vortrag über Immermanns „Münchhausen", den-„Münchhausen, eine Ge-'
schichte in Arabesken" von Immermann (Verlag Cotta) und Pücklers
bekanntere Werke: „Briefe eines Verstorbenen", „Jugendwanderungen",
„Aus Mehemed Alis Reich" und'andere.' J

wurde durch die Ansicht, „dafs die Willkür des Dichters
kein Gesetz über sieh dulde", veranlagst, denn auch die
Schriftsteller nahmen diesen Satz für sich in Anspruch.
Der „Esprit" wurde überschätzt und über die innere Wahr-
heit gestellt, fragmentarische Belletristik und eine ober-
flächliche Diskussion über die tiefsten philosophischen
Probleme machten sich breit. Man behandelte ernste
Gegenstände, ohne ihrer mächtig geworden zu sein, und
behalf sich dort, wo die Kenntnisse nicht ausreichten, mit
witzigen Seitensprüngen.

Dieser Litteraturauffassung verdanken auch die Werke
Pücklers im allgemeinen ihren damaligen unverhältnis-
mäfsig grol'sen Erfolg. Die Zeit freilich übte an ihnen eine
rücksichtslosere, aber gerechtere Kritik. Heute stehen
Pücklers sämtliche Werke fast ganz ungelesen in den
Bibliotheken. Die einzige Schrift, welche ihren Wert
noch hat und auch behalten wird, die „Andeutungen über
Lahdschaftsgärtnerei", gründete ihren Ruhm nicht auf den
Schriftsteller, sondern auf den Gartenkünstler Pückler. Als
Schriftsteller fehlte Pückler die unbedingte Wahrheitsliebe:
die fliefsende, glänzende und gewandte Art, mit der Pückler
seine Erlebnisse niederschrieb, konnte über eine gewisse
Oberflächlichkeit nicht hinweghelfen. Pückler schrieb ge-
legentlich an Bettina von Arnim: „Beurteile mich auch
nicht nach meinen Schriften, dort bin ich durch und durch
Komödiant, und habe höhnisch gelacht, dafs man Natür-
lichkeit als schönstes an ihm pries, da es von Anfang bis
Ende die fortgesetzteste Täuschung enthielt." Der Ausspruch
bezieht sich auf das in dieser Zeit erschienene Werk:
„Die Briefe eines Verstorbenen", wenn er auch entschieden
übertrieben ist, so genügt doch, was daran wahr ist, zur
Beurteilung. Wie lächerlich erscheint es, wenn uns Petzold
mitteilt, man hätte in manchen Kreisen Goethe für den
Vorfässer jener Briefe, die pseudonym erschienen, gehalten.
Goethes Werk trägt ja gerade darin das Hauptzeichen der
Unsterblichkeit, dafs sich sein ganzes inneres Leben im
Widerstreit der verschiedenen Anschauungen vor uns zu
einem gewaltigen Bilde vereinigt, der Schilderung der
eigenen Persönlichkeit in ihrem Streben nach Wahrheit.
Pückler wollte im Gegensatz mehr scheinen, als er war,
und führte dieses Streben in seinen Schriften wie auch in
seinem Leben konsequent durch.

Nur die „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei" sind
im ganzen davon frei. Heinrich Laube war damals der
einzige" bedeutende Kritiker^ welcher dies erkannte. Er
schrieb 18.40 an Pückler:

„Von allen Ihren Schriften, Durchlaucht, nehme ich an
dieser, wie sehr sie Skizze, und wie viel mehr Sie dafür noch
thun könnten, das tiefste Interesse. Es ist eine konstitutive
Originalität, mit der Ew. Durchlaucht in der Literaturgeschichte
eine ganz eigene Stelle einnehmen, die Stelle eines Natur-
Ästhetikers, dem die reichsten Vergleiche und Erfahrungen
zu Gebote stehen. Diesem Zweige sollten Ew. Durchlaucht
weiter nachtrachten, (alles Übrige — 'das Ensemble Ihrer
Persönlichkeit ausgenommen — kann man Ihnen nachmachen),
denn es ist ein spezifischer Genius des Geschmacks!"

Meines1 Wissens existieren an längeren Abhandlungen
über Pückler zwei Werke, nämlich die Biographie von
Ludmilla Assing und die Schrift von Petzold über die
 
Annotationen