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Die Gartenkunst — 32.1919

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Förster, H.: Schülergärten
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https://doi.org/10.11588/diglit.22269#0090

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E. Barth: Schustehrus-Park, Charlottenburg.

Blick von der großen Wiese auf eine Gruppe alter Bäume, dazwischen eine Plastik auf einer Säule. (Standpunkt V.)

zur naturwissenschaftlichen Erkenntnis zu ge-
langen, ist eine der Aufgaben des Schülergar-
tens, und in diesem Sinne ist er dazu berufen, an
der Reform des naturwissenschaftlichen Unter-
richts mitzuwirken, die dahin zielen muß, den
naturwissenschaftlichen Unterricht mehr an die
Bedürfnisse des Lebens, an die Wirklichkeit,
heranzuführen, ihn praktischer zu gestalten. Wir
werden uns nicht mehr damit zufrieden geben
dürfen, unsere Kinder z. B. in die Geheimnisse der
Kryptogamen einzuführen, sie mit möglichst
vielen Pflanzen in Wald und Feld vertraut zu
machen, wenn wir eines Tages erfahren, daß der
kleine Quartaner so wirklichkeitsfremd ist, zu
glauben, daß Kohlköpfe auf Bäumen wachsen
(Schönichen, Methotik und Technik des naturge-
schichtlichen Unterrichts S. 374). Die Entwicke-
lung, die der naturwissenschaftliche Unterricht in
den verflossenen Jahrzehnten genommen, weist
manchen Zusammenhang auf mit der Ausgestal-
tung, die der gartenbauliche Gedanke bei uns in
dieser Zeit erfahren hat. Die breiten Volks-
massen hatten sich des Familiengartens mehr
und mehr entwöhnt. Der Garten des wohlhaben-
den Mannes war zum Ziergarten geworden. Aus
Amerika hatten wir die Idee des Spielparks, der
sozialen Grünfläche übernommen und die Lau-
bengarten-Kultur allmählich aus dem Auge ver-
loren. Das, was dem deutschen Wesen so sehr
eignet, ein Gärtchen, ein Stück Land, das der
Einzelne selbst mit seiner Familie betreut, wo er
den Zusammenhang findet mit der Natur und

ihrem Schaffen, wo ihm die seelische Erholung,
die gemütvolle Vertiefung in das geheimnisvolle
Weben der Natur zuteil wird, das war uns ab-
handen gekommen, und langsam nur setzte ge-
gen Ende des vorigen Jahrhunderts die Bewegung
ein, die das Verlorene zurückerobern sollte.
Aber der Krieg erst mußte kommen, um dieser
Bewegung jene elementare Wucht zu verleihen,
die sie zu einer Volksbewegung im besten Sinne
des Wortes machte. Es ist uns allen wieder Be-
dürfnis geworden, ein Stückchen Land, ein Gärt-
chen, unser eigen zu nennen. Unser Volk will
heraus aus den Fabriken und Amtsstuben, will
wieder zur Natur zurück und bodenständig wer-
den. Die Schule kann dieser Bewegung, die in
den Bestrebungen des Kleingartenbaues ihr Ziel
und ihren beredten Ausdruck findet, nicht gleich-
gültig gegenüberstehen. Sie hat die Aufgabe,
für das Leben zu lehren. Und wenn der Schüler-
garten in der Lage ist, neben der Lösung der
ihm gestellten unterrichtlichen und erziehlichen
Aufgaben auch dem Kleingartenbau bis zu einem
gewissen Grade zu dienen, dadurch, daß er den
Kindern Lust und Liebe zum Gartenbau einflößt,
sie mit gewissen Vorkenntnissen und Fertig-
keiten vertraut macht, so löst er eine Aufgabe,
die vom volkswirtschaftlichen und volkserzieheri-
schen Gesichtspunkt aus nicht hoch genug veran-
schlagt werden kann.

Wir haben im Vorstehenden die Gesichts-
punkte angeführt, die u. E. dem Schülergarten
ein Heimatredit an unseren Schulen sichern

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