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Großherzoglich Badische privilegirte Heidelberger Tageblätter für Verkündigung, Politik und Unterhaltung (35) — 1841

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No. 91 - No. 100 (20. April - 30. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42548#0371

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367

„Und auf der Erde unter den Blumen hausen die Kröten
und allerlei anderes nichtswürdiges Gewürm !“ entgegnete un-
willig Mumſen. „Mit solchen trübsinnigen Aeußerungen ver-

derbt Ihr meinen ganzen Toaſt, den ich auf die Wohlfahrt

des großen Doppelreichs ausbringen wollte, das wir in unſerer
zweifachen Eigenschaft als Dichter und Aerzte bewohnen.“

„Ihr müßt mir meine ernſte Stimmung zu Gute halten,

ſprach Unzer , und legte begütigend seine Hand auf den Arm
des ihm zürnenden Freundes. „Ich komme von einem Sterbebette |“

Mumſen sah den Freund anz; der Verdruß ſchwand aus
seinem Geſsichte, auch das muthwillige Lächeln verſchwand und
hoher Ernst sprach aus seinen Zügen. „Ein Krankenbett , von
dem Unzer ohne Hoffnung scheidet, muß einen erschütternden
Anblick gewähren. Wen habt Ihr ſsterben sehen?"

„Einen armen, verkannten Gelehrten, der Zeit seines gan-
zen Lebens umsonſt gerungen, den Menſchen seine bessere Ueber-
zeugung einzuflößen," sprach Unzer. „So kämpfte er, Er-
nährer einer zahlreichen Familie, mit den drückendſten Nah-
rungssorgen, immer mehr dem Grabe zuwelkend. Endlich sieht er
eine ſeiner zahlreichen Bemühungen gelingen, ein edler deutscher
Fürſt, von der Wahrheit seines Syſtems lebhaft ergriffen,
beut ihm eine Freiſtatt, ihm lacht eine glückliche Zukunſt, sein
Weib braucht nicht mehr zu darben, seine Kinder sind vor dem
Bettelsack geſchütztz da ergreift ihn die Hand des Todes und
meine ganze reiche Kunſt war zu arm, nur eine dieſer Hoff-
nungen zu erhalten.“ ; ;

Unzer fuhr mit der Hand über die Stirne und versank in
Nachdeuken. Mumſen ſah ſtill vor sich hin und konnte seine
frohe Laune nicht wiederfinden. Er nahm die Hand des Freun-
des und sprach: „Ich frage Euch nicht, ob Ihr Eure Schul-
digkeit im vollſten Sinne erfüllt habt, das verſteht sich von
selbſſ. Wir haben nicht die Kraft des Allmächtigen, und nur
der Sohn Gottes durfte sagen: „J„[ZStehe auf, nimm dein Bette
und gehe heim.““ Aber wenn nun auch Euer armer Gelehrte
nach langen Kämpfen zur Ruhe gegangen ist, und nichts mehr
bedarf, so lebt doch die Frau mit den unverhjorgten Kindern,
und wenn ich nach dem allgemeinen Gang der Dinge schließen
mag, so iſt die Frau ebenfalls leidend, und bedarf eines kräf-
tigen Stärkungsmittels. Ich bin durch Zufall in dem Besitz
eines solchen, und bitte Euch, der armen Kreuzträgerin ſolches
in Eurem Namen zu beliebigem Gebrauche einzuhändigen.“

Er drückte mit diesen Worten dem Freunde eine schwere
Börse in die Hände und schritt dann haſtig im Zimmer auf

und ab, um die mächtig aufſteigende Rührung niederzukämpfen.

„Was thut Ihr Freund ?“ rief Unzer.

Mumſen ſtand still und es gewährte einen rührenden An-
blick, wie er ein luſtiges Gesicht zu zeigen beabsichtigte, wäh-
rend Thränen des innigſten Mitgefühls aus seinen Augen her-
vorperlten. „Was wollt Ihr ?“ eiferte er. „Seyd Ihr eifersüch-
tig, weil ich einen Eurer Kranken in die Kur nehmen vill ?
Als Euer Physikus steht mir das freiz ich muß nach dem
Rechten sehen. Diese Tropfen werden der gebeugten Wittwe wohl-
thun; das muß ich verſtehn. Freilich, mein guter Kollege,
kann nicht jeder Arzt seinen Patienten eine so theure Medizin
gratis liefern, aber wohl mir und Euch, daß wir es mitun-
ter im Stande sind. Das ſoll mir der erſte, beſte Börsenherr,
der sich am fetten Hummersalat den Magen verdirbt, wieder
einbringen. So verwende ich den Ertrag meines Weizackers,
und weiß ihn zur rechten Zeit wieder zu beſtellen.“

„Ich bewundere Euch, Freund] sprach Unzer bewegt.

„Obligirt,“ lachte Mumſsen. „Aus der Bewunderung mache
ich mir nichts, aber lieben mögt Ihr mich, und ich wills Euch
nach Kräften vergelten. Wenn ich Cuch indeß einen guten
Rath gebe ,, so befolgt ihn hübſch. Laßt Euch von Eurer
Gemüthsſtimmung nicht so fortreißen, ein Arzt muß Herr ſsei-
ner Leidenschaften con Ich habe auch heute meinen Aerger
gehabt, aber wer sieht es mir an? Unſere Patienten brau-
chen nicht zu wiſſen, was in unserm Herzen vorgeht.'

„Und was hat Euch heute geärgert?" fragte Unzer theil-
nehmend, „darf ich es wiſſen ?“

„Undank, mein Freund, schwarzer Undank !" eiferte Mum-
ſen. „Da lebt in Altona eine alte Frau, Namens Lüdecke.
Ihr verſtorbener Mann hatte unserm Hauſe früher einen kleinen
Dienſt geleiſtet, und sie wird dafür gut von uns gehalten.
Ich hatte ihr nach dem Tode ihres Mannes eine Wohnung
beſorgt, und half ihren übrigen Bedürfniſſen nach Kräften ab.

Ich hatte mich an die alte Frau gewöhnt, ich hielt sie lies

und werth, und glaubte Ursache dazu zu haben, von wegen
der Dienſte, die ihr Mann uns früher leiſtete, wenn ich ihr
dies auch zehnfach wieder vergolten hatte. Nun ängſtigte es
mich, Taß sie, die sonst sonntäglich kam, schon ſeit drei Wochen
ausgeblieben war, Ich machte mich auf den Weg zu ihr, und
siehe da! sie iſt auf und davon! Ohne Abſchied auf und davon!!
Soll mich das nun nicht ärgern ?“

(Schluß folgt.)



Redigirt unter Verantwortlichkeit von G. Re i ch a r d-



Obrigkeitliche Bekanntmachungen.

Es iſt dahier zur Anzeige gekommen , daß
Personen, um auf den Kaiserſtuhl oder andere
Vergnügungsorten zu gelangen , ihren Weg
mitten durch die Waldungen nehmen, und

sind, begangen werden dürfen. Bei dieser
Gelegenheit wird auch das längſt beſtehende Ver-
bot, wornach bei Strafe von 2 fl. Hunde 1.icht
auf den Feldern und in Waldungen herumlau-
fen dürfen, hiermit erneuert.

Heidelberg , den 13. April 1841.

in Steigerung verkauft. s t ;
Sinsheim . den 16. April 1841.
Groß bers ost Htifesſ<sfſtst
(Büch erauktion, ) Aus der Verlaſſen-
ſchaftsmaſse des dahier verſtorbenen quiescir-

dadurch Saaten verdorben, junge Pflanzen ab- , Groß h erzo gil Ober amt. ten königl. würtembergischen Finanzpräsidenten
gebrochen und namentlich zur Nachtzeit Be- G D e ur e k. Freiherrn Carl Auguſt von Malchus wird am

sc ädigungen aller Art muthwillig verübt wer-
den. Man sieht fich daher zur Verhütung der, der
Waldkultur nachtheiligen Handlungen veran-
laßt zu verordnen , daß bei Strafe von 5 Rthlir.
Niemand ohne besondere Befugniß oder genü-

genden Grund zur Nachtzeit in den Waldun- Ettle



Sinsheim. ( Fruchtv erſteigerun g.)
Freitag den 23. April d. I., Vormittags 10
Uhr, werden in dem Bureau unterzeichneter

30 Malter Korn,

M ittw och d en 5. Mai l. J. und an den
folg end en Tag en, je d e s m al N ach w it-
tags 2 Uhr,
auf dahiefigem Rathhause, dessen Bibliothek,
beſtehend in 650 Werken, ſtaatswirthſchaftli-
chen , geographischen , ſtatiſlischen , juriſtiſchen



geu herumlaufen darf, und zur Tagszeit nur 460 «« Spelz , und und belletriftiſchen Inhalts , so wie 200 Gene-
die Verbindungswege , welche nicht verhängt 175% Haber, ! ral-, Special-, Fluß- und Gebirgskarten , At-
 
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