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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 14.1903

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Noch ein Wort zur kunstgewerblichen Rechtsschutz-Frage
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https://doi.org/10.11588/diglit.6711#0166

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140 INNEN-DE KOR ATION.

Iloch ein Wort zur kiinffgewerblichen RechfsfchufcFrage,

Ein uns gerade vorliegender ebenso bedauer-
licher als lehrreicher Fall lässt es uns not-
wendig erscheinen, nochmals in diesem Hefte
auf die Frage des kunstgewerblichen Rechtsschutzes
einzugehen, da derselbe so recht drastisch darthut
wie notwendig die von uns angestrebte Gesetzes-
Anderung ist. Wir möchten anknüpfen an den be-
reits früher angeführten Vortrag des Herrn General-
Sekretärs Dr. Osterrieth. Hierin wird u. a. aus-
geführt, dass die elsässische Textil-Industrie, die
nach dem französischen Kriege an Deutschland kam,
in Frankreich gesetzlichen Schutz genoss, in Deutsch-
land jedoch nicht, und aus diesem Bedürfnisse heraus
wurde das Musterschutz-Gesetz erlassen. — »Die
Muster werden aber nur geschützt, wenn sie hinter-
legt werden und wenn eine Gebühr für den Schutz
bezahlt wird, deren Höhe nach der Zeit berechnet
wird, für welche die Muster geschützt sein sollen.

Nun kommt der ominöse § 14 des Gesetzes über
das Urheberrecht, der die Brücke bildet vom Schutze
der Werke reiner Kunst zum Gesetze über den
Muster-Schutz. Eine Statuette z. B., die zunächst nicht
als Gebrauchs-Gegenstand dient, glaubt man geeignet
zu einer Nachbildung für Beleuchtungs-Körper, nach-
dem sie einer unbedeutenden Abänderung unter-
zogen wurde. In dem Augenblick, wo der Künstler
hierzu seine Genehmigung erteilt, wird die Statuette
gegen weitere Nachbildung in der Industrie nur
geschützt, wenn sie als Muster hinterlegt wurde.
— Wenn nun aber die Statuette oder das Bild

Nachdem wir dies vorausgeschickt geben wir also dem nach-
stellenden Schreiben Raum, welches uns Herr Rechtsanwalt Dr. Kahn
unterm 12. März aus Mannheim zugehen liess: »Unter Bezugnahme
auf den Artikel »Rechtsschutz für das Kunst-Gewerbe« im Februar-
Heft Ihrer Zeitschrift beehre ich mich Ihnen folgendes mitzuteilen:
Ich habe Ihnen s. Zt. auf Ihren Wunsch die Photographieen meines
neuen Hauses zum Zwecke der Publizierung in der »Innen-Dekoration«
übergeben, darunter befanden sich die Möbel meines Musik-Zimmer
und Boudoirs nach den Zeichnungen von Baillie Scott—Bedford, die
ich mir mit grossem Aufwand an Mühe und Kosten beschafft hatte.
Einen Teil dieser Möbel hat nun die Möbel-Firma Gebrüder Reis
in Mannheim ohne meine Genehmigung, ja ohne mir ein Wort davon
mitzuteilen, mit täuschender Ähnlichheit nachgefertigt und in ihren
Schaufenstern ausgestellt. Auf meine Reklamation wurde mir die
Antwort: »Sie haben sie ja selbst photographieren lassen«. Recht-
lich ist gegen dieses Verfahren nichts zu machen, denn ein gesetz-
licher Schutz besteht, wie Sie auch in Ihrem Aufsatze ausführen,
nur, wenn er durch Eintragung eines Geschmacks- und Gebrauchs-
Musters besonders erwirkt ist. Eine Bekanntgabe dieses Vorfalles
dürfte aber für Ihre Leser wie Sie selbst von Interesse sein. Es ist
nötig, dass Kunst-Freunde für die von ihnen selbst entworfenen oder
erworbenen Zeichnungen den relativ einfachen Schutz des Geschmacks-
Musters nachsuchen, solange ein anderer, mit allen Kräften anzustreben-
der gesetzlicher Schutz nicht besteht. Nur dadurch wird verhütet, dass
diese Arbeit von jedem beliebigen Fabrikanten nachgeahmt werden

schon vorher im Handel verbreitet oder sind Nach-
bildungen irgend welcher Art schon im Handel
erschienen, so ist eine Muster-Hinterlegung zwecklos,
weil jedermann sie nachzubilden berechtigt ist.

Anders liegt die Sache bei kunstindustriellen
Gegenständen, die zwar auch wirkliche Kunst-Werke
sein können, aber von vornherein als Gebrauchs-
Gegenstände hergestellt werden, z. B. Vasen, Krüge,
Aschenschalen u. s. w.; hierbei werden nicht Werke
der reinen Kunst nachgebildet, sondern sie werden
für den bestimmten Zweck künstlerisch entworfen
und ausgeführt. Für solche kunstgewerbliche
Gebrauchs-Gegenstände kommt der § 14 nicht in
Betracht, sondern das Gesetz sagt: sie gehören nicht
zu den Werken der reinen Kunst, und werden nur
geschützt, wenn sie als Muster hinterlegt worden
sind. Das Musterschutz-Gesetz enthält aber manche
Nachteile. Ich will nur daran erinnern, dass z. B-
in der Möbel-Branche die Hinterlegung von Mustern
sehr erschwert ist; Umrisse, Querschnitte, ja selbst
Photographieen von Möbelstücken sind nicht immer
ausreichend zur Identifizierung, und ein Sopha oder
Spind selbst als Muster zu hinterlegen, verbietet sich
ohne weiteres. Ich bin daher der Meinung, dass das
Musterschutz-Gesetz für das Kunst-Gewerbe wenig
praktische Bedeutung hat. — Die vielfach geäusserten
Klagen haben uns schon seit Jahren auf den Ge-
danken gebracht, eine Änderung des Gesetzes anzu-
regen, um so mehr, als das Reichsamt des Innern
jetzt ein neues Kunstschutz-Gesetz vorbereitet.«

kann. Wird ein solches Verfahren, wie es der Firma Reis beliebte!
allgemein üblich, so liegt andererseits die Gefahr vor, dass Ver-
öffentlichungen in Kunst-Zeitschriften unterbleiben. Und das wäre
im Interesse aller Kunst-Freunde und auch Ihres geschätzten Blattes
zu beklagen. Deshalb scheint mir der obige Weg der einzig richtige-
— Ich ermächtige Sie, diesen Brief in Ihrer Zeitschrift zu publizieren.«

Die Hof-Möbelfabrik von Gebrüder Reis in Mannheim, welcher
wir dieses Schreiben vorlegten, führte in ihrer Erwiderung aus, dass
die von ihr ausgestellten Möbel »nach Bauart, Zweck und Zeichnung
von den Kahn'schen ganz verschieden« seien und dass eine Ähnlich-
keit nur »in der Zeichnung der Ornamente« bestehe. — Da *if
unsererseits die von Reis ausgestellten Möbel nicht gesehen haben*
so lassen wir es dahingestellt, ob dieselben ganz oder teilweise den
Scott'schen nachgebildet sind; Thatsache ist, dass in grösserem oder
geringerem Grade eine unverkennbare Nachbildung vorliegt, die ja die
Firma Reis selbst nicht bestreitet, indem sie sich in ihrem Schreibe1
darauf beruft, dass die Reproduktionen in unserer Zeitschrift »nicht
lediglich den Zweck haben sollen, bestimmte Personen als Besitzer
von schönen Möbeln zu verherrlichen, sondern hauptsächlich den
Zweck, dass das Kunst-Gewerbe aus ihnen lernen und schöpfe«. ~"
Gewiss, wir erstreben nichts eifriger, als dem Kunst-Gewerbe moderne
Anregungen zu geben, allein wir halten auch nichts für bekämpfens-
werter und schädlicher als sklavische Nachahmung. Im übrigen beweis1
die Firma Reis durch ihre Worte so recht, wie dringend nötig es iSw
dass endlich die »Klinke der Gesetzgebung« in Bewegung gesetzt wird-
 
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