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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 14.1903

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Rechtsschutz für das deutsche Kunst-Gewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.6711#0182

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>56

INNEN-DEKORATION.

Rechtsfchufc für das deutiche Kunff« Gewerbe, IV,

Es seien hier noch einige Stellen aus dem bereits
mehrfach erwähnten überaus instruktiven und
erschöpfenden Vortrage des General-Sekre-
tärs Dr. Osterrieth wiedergegeben, weil es kaum
möglich sein dürfte diese Frage schärfer zu be-
leuchten, als es hier auf Grund eines umfassenden
Studiums geschieht. ()sterrieth sagt: Wirerstreben,
dass das Gesetz, welches sich jetzt auf die Werke
der reinen Kunst beschränkt, auch auf alle kunst-
industriellen Schöpfungen ausgedehnt wird, die
einen künstlerischen Karakter tragen, auch wenn
sie nur Gebrauchs-Gegenstände darstellen — auch
diese sollen, ohne weiteres geschützt werden, ohne
dass es einer Muster-Hinterlegung bedarf. Nun
fragt es sich ja, was ist als Kunstwerk zu betrachten
und was nicht? In manchen Fällen wird dieser
Nachweis wohl etwas schwierig sein, z. B. bei einer
einfachen Dekoration, einem Teppich; selbst ein
Stiefelknecht kann ein Kunstwerk darstellen. Natür-
lich ist bei dem Begriff »Kunst« alles subjektive
Empfinden auszuschliessen — dem Einen gefällt
der Jugend-Stil, der Andere findet nur am Barock
Gefallen und hält alles Andere für durchaus un-
künstlerisch —; im rechtlichen Sinne gibt es bei
dem Begriffe »Kunstwerk« aber doch ein Kriterium,
einen Maßstab, und das ist die individuelle Schöpfung.
Wie es unter den vielen Millionen Menschen nicht
zwei mit ganz gleichen Gesichtern gibt, so ist es
ausgeschlossen, dass zwei Menschen die gleiche
künstlerische Konzeption haben können, vielmehr
wird man stets die Individualität, das karakteristische
Schaffen des Einen von dem des Andern zu unter-
scheiden wissen. Bei der Beurteilung einer Nach-
bildung muss also festgestellt werden, was ist dabei
individuell und was nicht. In der Mehrzahl der
Fälle wird sich dies auch ohne Schwierigkeit
bestimmen lassen, zum Teil aber ist dazu eine
besondere Sachkenntnis erforderlich. Der Fach-
kenner aber wird stets zu unterscheiden wissen:
Dies ist die bisher gebräuchliche und bekannte
Form, das aber hier ist das Neue, Individuelle, was
der Künstler selbst vermöge seiner Kunst hinein-
gethan oder verbessert hat. Wir wollen daher auch
das Musterschutz - Gesetz nicht beseitigt wissen,
sondern wollen neben diesem für kunstgewerbliche
Erzeugnisse, die einen künstlerischen Karakter
besitzen, einen Schutz herbeiführen gleich den
Werken der reinen Kunst, damit das Eigenartige,
das Künstlerische an diesen Gegenständen ohne
weiteres genügend geschützt ist.

Zum Schlüsse gibt Herr Dr. Osterrieth noch
bekannt, dass das Deutsche Reich mit andern

Ländern Verträge über gegenseitigen Kunstschutz
geschlossen habe. Dabei sei nur die Erfüllung
derjenigen Formalitäten notwendig, die im Ursprungs-
lande gelten, so dass z. B. ein französischer kunst-
gewerblicher Gegenstand in Deutschland geschützt
sei, wenn diejenigen Formalitäten in Frankreich
erfüllt sind, welche die französischen Gesetze vor-
schreiben. Da in Frankreich die kunstgewerblichen
Erzeugnisse ebenso geschützt sind als die Werke
der reinen Kunst, stehen unsere Gewerbe-Künstler
den Franzosen gegenüber im Nachteil.

Die weiteren Verhandlungen ergaben, dass mit
Rücksicht auf die Schwierigkeit der Unterscheidung
zwischen Kunst und Kunst-Gewerbe der Fach-
Verband dahin streben müsse, dass bei den Gerichten
technische Beisitzer angestellt werden. Die Kom-
mission beschliesst sodann, folgende Resolution dem
Vorstande zu unterbreiten: »Der Fach-Verband
(handelsgerichtlich eingetragener Firmen) für die
wirthschaftlichen Interessen des Kunst-Gewerbes,
welcher alle Zweige des Kunst-Gewerbes umfasst,
erklärt, dass die Kunst-Gewerbetreibenden der
Industrie gleichmäßig durch das Bestehen des § 14
des Urheberrechts an Werken der bildenden
Künste vom 9. Januar 1876 geschädigt werden,
welcher lautet: »»Wenn der Urheber eines Werkes
der bildenden Künste gestattet, dass dasselbe an
einem Werke der Industrie, der Fabriken, Hand-
werke oder Manufakturen nachgebildet wird, so
geniesst er den Schutz gegen weitere Nach-
bildungen an Werken der Industrie u. s. w. nicht
nach Maßgabe des gegenwärtigen Gesetzes, sondern
nur nach Maßgabe des Gesetzes betr. das Urheber-
recht an Mustern und Modellen.««

Im Anschlüsse an Osterrieth's Darlegungen
wurde, wie bereits mitgeteilt, folgende Resolution
gefasst: »Der Fach-Verband erwartet daher, dass
diese Bestimmungen in das demnächst zu er-
wartende neue Kunst - Gesetz nicht wieder auf-
genommen und an Stelle dessen in Übereinstimm-
ung mit den internationalen Gesetzen die Erzeugnisse
des Kunst-Gewerbes in gleichem Maße geschützt
werden als die Werke der reinen Kunst. Jedoch
soll das Musterschutz-Gesetz bestehen bleiben.« —-
Wir werden auf diese Angelegenheit, welche in-
zwischen auch den Delegierten-Tag des Verbandes
deutscher Kunstgewerbe- Vereine in Leipzig be-
schäftigt hat, noch mehr zurückkommen. Auch wir
haben ja die Erfahrung machen müssen, dass es
Zeit ist, auf diesem Gebiete endlich gesetzgeberisch
vorzugehen und wir werden dafür sorgen, dass die
Diskussion darüber nicht mehr einschläft! D. Red.
 
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