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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 14.1903

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Willrich, Erich: Kunstgewerbliche Betrachtungen im Anschluß an die Arbeiten A. Müllers
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https://doi.org/10.11588/diglit.6711#0295

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INNENDEKORATION

XIV. 3HHRSHI1S, Darmttadt 1903. nOVemBeR-HeFL

Kunftgeroerbliche Befrachtungen im Hnfchluffe an die Arbeiten fl, müller's

Wohltäter der Menschheit möchte man diese
selbstlosen Künstler nennen, die es sich
angelegen sein lassen, den Menschen
Heimstätten zu schaffen, nicht »so 'ne Wohnung
blos, so eine Art von Zufluchtsort«, sondern ein
Heim, eine Stätte, an der man es erträglich findet.
Wohltäter der Menschheit; und ich denke dabei an
stille, einfache Menschen, Menschen, die keinen
»Betrieb« machen, nicht an himmelstürmende Titanen
und solche, die es zu sein vermeinen. — Die ver-
stehen das wirkliche Wesen der neuen kunstgewerb-
lichen Bewegung schlecht, die nichts eiligeres zu
tun wissen als jeden neu ausgeführten, ja blos ge-
zeichneten Stuhl oder Streichholz-Behälter als höchst
bestaunenswerte Offenbarung menschlichen Geistes
in die Welt hinauszuposaunen. Wenn irgendwann
in dieser Hinsicht etwas gutes geschaffen ward, so
geschah es nicht aus himmelstürmendem Drang-
Gefühl, vielmehr aus sich bescheidender Gesinnung,
die einen wünschen lässt, Mensch unter Menschen
zu sein, die über dem Himmelstürmen das Sich-
häuslich-einrichten nicht vergessen möchte, oder
das sich in die Situation hineinfinden — wenn der
erste Ausdruck zu philistrisch klingen sollte. —
Resignation ist der Grundton. —

Es ist nicht so, wie die kunstgewerblichen
Stuhlbein-Pessimisten und -Enthusiasten uns glauben

1908. XI. 1.

machen möchten, dass mit dem neuen Möbel, dem
neuen Hause die Welt auf eine neue Grundlage
gestellt werde. Die grösseren Probleme verschieben
sich auch nicht um eines Härchens Breite, auch nicht,
wenn des geringsten Kulis geringstes Gebrauchs-
Geschirr längst eine kunstgewerbliche Muster-
Leistung geworden sein wird. Kunst-Gewerbe ist
die Kunst-Betätigung derer, die sich in die Situation
hineingefunden haben; nicht mehr, aber auch nicht
weniger. — So viel zur Einleitung; und wenn ich
sie überfliege, will es mir scheinen, als wollte ich
mich davor drücken, den Stoff fester anzupacken.
In der Tat, so ist es. Denn schliesslich ist es nicht
der Hang zum »Schwefeln«, wenigstens nicht er
allein, der sie eingab, sondern die sehr gesunde
Empfindung, dass doch von all diesen Dingen längst
nicht so viel Aufhebens gemacht werden sollte. Es
ist für einen nicht sonderlich propagandistisch ver-
anlagten Menschen wirklich keine angenehme Auf-
gabe, mit breiten Worten den Leuten das vor-
predigen zu müssen, was ihnen ein halbwegs gesunder
Blick selbst sagen sollte. Alles in allem: ich möchte
nicht in einemweg in Superlativen sprechen müssen
und doch auch andererseits nicht in den Verdacht
kommen, lau zur Sache zu stehen.

Am Ende ist es mit den Möbeln ebenso wie
mit den Frauen, von denen ja auch die am besten
 
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