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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 21.1910

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Schulze, Otto: Die Harmonie der Gegensätze, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11378#0162

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144

INNEN-DEKORATION

PROFESSOR HERMANN B1LL1NG —KARLSRUHE.

HERREN-ZIMMER IM NUSSBAUM. KELLER & REINER.

DIE HARMONIE DER GEGENSÄTZE.

i

Ein Thema, dessen Stoft so alt ist, daß seinem
Beginn kaum nachzuspüren sein durfte; und in
der Anwendung und Bedeutung doch wiederum vielen
noch heute so fremd und neu, Künstlern wie Laien,
daß es nötig scheint, sich des öfteren damit zu be-
schäftigen. Die Harmonie, das Zusammenklingen von
Gegensätzen in Tönen, Farben, Lichtwerten, Massen,
Maßen, Empfindungen und Gefühlen ist der Grundklang,
das Notwendige aller ästhetischen Werte überhaupt.
Auch die größten Künstler stehen bewußt unter ihrem
Zwange, sonst wäre ihnen ein künstlerisches Schaffen
versagt. Daß überhaupt alle unsere Wahrnehmungen
von Gegensätzen ausgehen, ist uns so selbstverständlich,
daß wir kaum noch darüber nachdenken und auf manchen
Wechsel der Reize und Eindrücke nur noch fast mechanisch
unsere Sinne einstellen. Gegensätze an sich sind von
einander so abhängig wie Leben und Tod. Das bedeutet
Anfang und Ende, eine grausame, auffällige Härte
bergend; eine Milderung, einen Übergang kann man
einschalten, wenn der Zustand Schlaf von uns als ein
Mitteldasein erkannt wird, in dem die Wahrnehmung
weniger scharfer Gegensätze aufhört. Schlaf ist um so
erquickender und gesünder, je traumloser er ist, und
ein Leben um so harmonischer, wenn es von nicht
allzu schroffen Wechselfällen heimgesucht wird. Ob
für ein solches harmonisches Leben künstlerisches

Betätigen oder künstlerisches Genießen ein unbedingtes
Erfordernis sei, darüber ist viel in Gelehrtenkreisen
gestritten worden. Aber, eins bleibt für uns alle unum-
stößlich war: Kunstwerke, gleich ob gedichtet, getont,
gemalt, gemeißelt, gebaut oder vermittelnd auf ähnliche
Art gefertigt, müssen ein Ergebnis der Harmonie von
Gegensätzen sein. Eigentliche Disharmonie kennt die
Kunst in ihren höchsten Schöpfungen nicht, demgemäß
auch nur Steigerungen innerhalb einer einmal begonnenen
Reihe oder Skala, einschließlich Symmetrie und Proportion.

Was bis hier in größeren Linien für die Kunst als
solche im allgemeinen angedeutet wurde, das gilt
natürlich im wesentlichen auch für die Werke der
Raumkunst, die fast, wie kein anderes Gebiet der
Kunst, unter ganz ungewöhnlichen Wechselfällen die
Harmonie der Gegensätze in Licht, Farbe, Fläche,
Körper und Raum durchzuführen hat. Mit rein künst-
lerischem Instinkt ist es auch hier nicht immer, ja, so-
gar in den seltensten Fällen getan, denn hier müssen
viele Einzelheiten zu einer Einheit zusammengeführt
werden. Neben dem gefühlsmäßigem Abwägen muß
das Abschätzen aus der Erfahrung heraus reichliche
Anwendung finden; eine große Summe bewährter und
damit auch bekannter Wirkungen aus Farben und
Formen sind zu Grundeinheiten geworden, die, von
Fall zu Fall erweitert oder beschränkt, auch dem
 
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