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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 21.1910

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Lang-Danoli, Hugo: Kunst und Industrie
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https://doi.org/10.11588/diglit.11378#0198

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INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT BA1LL1E SCOTT—BEDFORD. WOHNRAUM EINES ARBEITERHAUSES IN DER GARTENSTADT LETCHWORTH-ENGLAND.

KUNST UND INDUSTRIE.

Die neue Strömung, die seit 1850 das englische
Kunstschaffen durchsetzte und reformierte, propa-
gierte ein ethisches Ideal: Schönheitsempiinden und
geistiger Gewinn der Arbeit könne nur aus einem tiefen
Wahrheitsempfinden hervorgehen, veredelnde, selbst-
schöpferische Arbeit müsse an Stelle der »Fabri-
kation« treten. In der einseitigen Beschränkung der
Bewegung auf das zentralisierte Handwerk, durch
die Unternehmungen von Morris, der »Art and Crafts
Society« und der verschiedenen Guilds, lag ihre Be-
grenzung. Ihre bemerkenswerten sozialen Errungen-
schaften in der glücklichen Durchführung der Arbeiter-
wohnungen und Gartenstadt-Idee sind allgemein bekannt.

Auf dem Kontinent nahmen diese gemäßigt indivi-
dualistischen Prinzipien ursprünglich den Charakter
eines ungehemmten Individualismus des Künst-
lers an, erst daraufhin erhielt das Kunstgewerbe eben-
falls eine ethische Grundfärbung. Um den Anschluß
der Industrie wird zur Zeit eifrig geworben. —

Die gleichgeartete » Cr aftsm an «-Bewegung, die in
Amerika zu Beginn dieses Jahrhunderts einsetzte, defi-
nierte sich als bewußte Rückkehr zu kräftigen, primitiven,
gebrauchsfähigen Formen; auch hier die Losung: »Los
vom Unechten«, Bevorzugung des Charakteristischen
und Konstruktiven, die Pflege einer Art robuster Schön-
heit. (Um die Eigenart der Hölzer z. B. zu wahren,
sollen weder Glaspapier noch Polituren, nur Hobel und

Schabeisen Verwendung finden.

|eder soll sein eigenes

Heim, seinen eigenen Garten haben, sogar nach Mög-
lichkeit sein eigener Kunsthandwerker sein, um so eine
persönliche Intimität mit den Dingen der Umgebung
zu gewinnen. Diese eigentliche Craftsmann-Bewegung
umfaßt nur einen verhältnismäßig kleinen Kreis.

Die amerikanische Industrie aber macht sich in
ihrer Assimilationsfähigkeit neue Ideen rasch zunutze.
Der Amerikaner erfaßt Kunst als eine bewußte und
ökonomische Kraft, die jedem Gramm Material sein
Maximum an Wert abzwingt, und erblickt in ihr einen
wichtigen, kommerziellen Faktor, der das Rohmaterial
durch diese »intellektuelle Nuance« über die reintech-
nische Bearbeitung hinaus um das Vielfache im Wert
steigert. Er erkennt, daß es sich auch für ihn, infolge
der zunehmenden Erschöpfung der Rohmaterialien im
Lande, nunmehr um eine Produktion der Qualität,
nicht mehr der Quantität handelt: Qualität der Edel-
erzeugnisse des höheren Hand.verks für die Ober-
schichten und der Industrie-Surrogate für die Masse.
Wenn der Amerikaner will, so hat er auch sehr bald
eine solche »Kunst«. Die Industriellen sind in den letzten
Jahren eifrig daran, kunstgewerbliche Lehrwerkstätten zu
errichten. Schon die neuerdings verschobene Ausstel-
lung in Berlin, auf die Amerika als Propagandamittel zur
Eröffnung neuer Absatzgebiete sehr hohe Hoffnungen
setzt, soll ein »Blaubuch amerikanischer Qualitäts-
produktion« sein. Für Deutschland dürfte darum neben
löblicher Gastfreundlichkeit kluge Vorsicht und äußerste
Steigerung in der Qualität seiner Produktion in der
nächsten Zukunft zu empfehlen sein. -

LANG-DANOI.I.
 
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