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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 21.1910

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Papst, Paul: Der Entwicklungs-Gedanke in der Erziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.11378#0235

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DER ENTWICKLUNGS-GEDANKE IN DER ERZIEHUNG.

VON DIREKTOR DR. PABST—LEIPZIG.

Unser gesamtes wissenschaftliches Denken wird be-
herrscht von der Idee der Entwicklung: auf dem
Gebiete der Naturforschung gilt die Entwicklungstheorie
heute als eine unbestreitbare Tatsache, und ebenso
werden die Geschichtsforschung und die Volkswirtschaft,
die Rechtswissenschaft und die Sprachforschung von dem
Entwicklungsgedanken geleitet. Warum sollten wir ihn
nicht auch auf die Erziehung anwenden? — Und in der
Tat ist dies auch schon oft und mit Erfolg geschehen.

»Die Entwicklung des einzelnen gleicht der Ent-
wicklung der Gesamtheit«. Dieser Satz bildet den Mittel-
punkt der Lehre Friedrich Fröbels, eines Pädagogen,
der zwar einem vergangenen Jahrhundert angehört,
dessen Bedeutung aber erst in der Gegenwart anerkannt
und sicher erst in der Zukunft voll gewürdigt werden
wird. Charakteristisch ist, daß einer der führenden
amerikanischen Pädagogen, der Universitäts-Professor
Dewey, in seinen Schriften deutsche Pädagogen außer
Eröbel überhaupt nicht nennt, und daß er auf die für
uns maßgebenden pädagogischen Theorien als auf etwas
gänzlich Veraltetes grundsätzlich verzichtet. Indem er
wie Fröbel sein Erziehungssystem ausschließlich auf
dem T ä t i g k e i t s t r i e b e des Kindes aufbaut, stellt er

sich in einem scharfen Gegensatz zur herrschenden Er-
ziehungspraxis. Unsere heutige Erziehung behandelt das
Kind, als ob es in erster Linie ein zuhörendes und
passives Wesen wäre. Aber nicht das Stillsitzen und
das passive Aufnehmen, sondern das Bewegen und das
Tun sind ihm naturgemäß, wie wir an jedem gesunden
Kinde beobachten können, besonders im vorschulpflich-
tigen Alter, während leider hierin vielfach eine wesent-
liche Änderung mit dem Beginne der Schulzeit eintritt.

Als Friedrich Fröbel über die Grundlagen eines
naturgemäßen Erziehungssystems nachdachte, da sah er
diese Fragen vom entwicklungsgeschichtlichen Stand-
punkte aus an und zog die Parallelen, die sich ergeben,
wenn man den Entwicklungsgang eines Kindes mit dem
der Menschheit vergleicht. Auch für die Menschheit
gab es ein vorschulpflichtiges Alter, ein Kindheitsalter.
Es war dies die lange Periode ihrer Kulturentwicklung,
in der sie im eigentlichsten Sinne des Wortes noch
nicht »in die Schule zu gehen« brauchte. Was wollen
auch die paar Jahrhunderte, seitdem jedes Kind etwa vom
sechsten Lebensjahre an in die Schule geschickt wird,
besagen gegenüber der nach Jahrtausenden und aber-
mals Jahrtausenden zu bemessenden Zeit, in der sich

HOFMÖBELF
M. BALLIN
MÜNCHEN.

EINFACHES
SCHLAFZIM-
MER IN BIR-
KENHOLZ.

1910. V. 3.
 
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