Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 21.1910
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https://doi.org/10.11588/diglit.11378#0284
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Jaumann, Anton: Vom künstlerischen Nachwuchs
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INNEN-DEKORATION
Zeiten, in eins der beiden Extreme, in das Schwül-
stige, Überladene, krampfhaft Aufgetriebene oder in
die schulmeisterliche Korrektheit, in Akademismus.
Abgesehen von einigen Wiener Erscheinungen
kenne ich nichts, was auf eine Barockisierung der
Moderne hinwiese. Dagegen gibt es ohne Zweifel
eine ganze große Gruppe junger Architekten und
Kunstgewerbler, die dem zweiten Extrem zustreben.
Sie sind »Nachwuchs« im reinsten Sinne des Wortes,
ohne die revolutionä-
ren Vorgänger un-
denkbar. Sie sind
herangewachsen unter
dem Eindruck der
ersten modernen Lei-
stungen , aber sie haben
nicht mitgesucht und
mitgeirrt. Sie sind
von dem heißblütigen
verwegenen Vorwärts-
drängen nicht ange-
steckt worden. In
einer Reserve stehen
sie schon den Arbeiten
des vorigen Jahrzehnts
gegenüber, als ob sie
die Alten wären, die
ARCH. L.M1ES. LANDHAUS RIEHL. GRUNDRISSE. ERD-U. OBERGE5CHOSS.
in kühler Überlegenheit zur Kritik berufen sind.
Was wollen diese Jungen? Sie erstreben Reife,
Ruhe, Ausgeglichenheit, sie verabscheuen allen
Radikalismus, sie suchen den »goldenen« Mittelweg
zwischen Alt und Neu. So wirken ihre Arbeiten
leicht wie ein stiller Vorwurf für die früheren, wie
eine Kritik. Die Jugend ist es hier auffallender-
weise, die Mäßigung predigt, sie korrigiert die
Lehrer, die sie an Fehlerlosigkeit, an Musterhaftig-
keit übertrifft. Sicher
werden wir in den
nächsten zehn Jahren
eine erhebliche Zahl
tadelloser, sachlich gu-
ter, tüchtiger Werke
von diesem »Nach-
wuchs« bekommen,
aber so amüsant, so
menschlich packend
wie die des letzten
Jahrzehnts werden sie
wohl nicht sein. —
Das sei ohne Arg und
Vorwurf konstatiert.
Auch diese junge
Gruppe wird im Fort-
schritt der Kultur eine
INNEN-DEKORATION
Zeiten, in eins der beiden Extreme, in das Schwül-
stige, Überladene, krampfhaft Aufgetriebene oder in
die schulmeisterliche Korrektheit, in Akademismus.
Abgesehen von einigen Wiener Erscheinungen
kenne ich nichts, was auf eine Barockisierung der
Moderne hinwiese. Dagegen gibt es ohne Zweifel
eine ganze große Gruppe junger Architekten und
Kunstgewerbler, die dem zweiten Extrem zustreben.
Sie sind »Nachwuchs« im reinsten Sinne des Wortes,
ohne die revolutionä-
ren Vorgänger un-
denkbar. Sie sind
herangewachsen unter
dem Eindruck der
ersten modernen Lei-
stungen , aber sie haben
nicht mitgesucht und
mitgeirrt. Sie sind
von dem heißblütigen
verwegenen Vorwärts-
drängen nicht ange-
steckt worden. In
einer Reserve stehen
sie schon den Arbeiten
des vorigen Jahrzehnts
gegenüber, als ob sie
die Alten wären, die
ARCH. L.M1ES. LANDHAUS RIEHL. GRUNDRISSE. ERD-U. OBERGE5CHOSS.
in kühler Überlegenheit zur Kritik berufen sind.
Was wollen diese Jungen? Sie erstreben Reife,
Ruhe, Ausgeglichenheit, sie verabscheuen allen
Radikalismus, sie suchen den »goldenen« Mittelweg
zwischen Alt und Neu. So wirken ihre Arbeiten
leicht wie ein stiller Vorwurf für die früheren, wie
eine Kritik. Die Jugend ist es hier auffallender-
weise, die Mäßigung predigt, sie korrigiert die
Lehrer, die sie an Fehlerlosigkeit, an Musterhaftig-
keit übertrifft. Sicher
werden wir in den
nächsten zehn Jahren
eine erhebliche Zahl
tadelloser, sachlich gu-
ter, tüchtiger Werke
von diesem »Nach-
wuchs« bekommen,
aber so amüsant, so
menschlich packend
wie die des letzten
Jahrzehnts werden sie
wohl nicht sein. —
Das sei ohne Arg und
Vorwurf konstatiert.
Auch diese junge
Gruppe wird im Fort-
schritt der Kultur eine