Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort (21.1910)

VON DER ZWEITEN GENERATION.

Wir erleben jetzt die Generation der Schüler. Das
ist ein durchaus natürlicher und keineswegs ein
wunderlicher Vorgang. All die Leute, die als Helfer
in den Arbeitsstuben der Meister saßen, und dort, dem
leitenden Willen gehorsam, hart umschriebene Aufträge
vollziehen mußten, sie alle, die wohl oft Einfälle hatten,
sich aber stets den Absichten des Chefs beugen mußten,
fühlen nun, da ihre Zeit gekommen, daß sie wohl selber
fliegen könnten. Die Jugend ist flügge geworden und
will ihre eigenen Wege gehen. Da ist es nur selbst-
verständlich, daß am Anfang die Handschrift und der
Drill des Meisters noch wirksam bleibt. Wer des
Schülers Arbeit anschaut, sagt, des Novizen Befreiung
ungeachtet: sehet den Meister. Zuweilen, wenn der
Schüler aus zweier Hände entsprungen, ist die Mischung
offenkundig. Und die Anatomen sagen: sehet die
Kreuzung von diesem mit jenem Meister. Nun ist aber
mit solcher Feststellung der Herkunft nichts getan, und

es wäre Frevel an den Menschen und Leichtsinn an
der Sache, wollte der Beobachter sich die Analyse der
Nachkömmlinge so billig machen. Die zweite Gene-
ration anzuschauen, heißt einen Blick tun in die Ent-
wicklung des Stiles und in das Festwerden der Tradi-
tion. Es ist immer so gewesen, daß historisch um-
rissene Formenkreise ein Produkt der Schüler sind.
Wobei ebenso selbstverständlich vorausgesetzt wird, daß
diese Schüler Kraft genug besitzen, nicht bloß nachzu-
ahmen, nein: zu variieren, umzudeuten, auszudeuten,
abzuwandeln. Es wäre falsch anzunehmen, daß zu
solcher Fortsetzung einer angefangenen Linie keine
Willensspannung und keine individuelle Energie gehöre.
Im Gegenteil, die Schüler ziehen oft erst die eigentliche
Konsequenz, sie finden oft erst die Wahrheit für das,
was der Meister des Anfang nur ahnte; und zuletzt
kommt einmal ein Schüler, der das Fazit aus der voran-
gegangenen Abwicklung zieht und die Revolution des

ENTWURF:
ARCH. ERNST
WEINSCHENK
IN BERLIN.

BÜFETT IN
EICHE MIT
EBENHOLZ
U. INTARSIA.