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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 21.1910

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Scheffers, Otto: Kontrast und Harmonie der Farben, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11378#0450

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KONTRAST UND HARMONIE DER FARBEN.

i.

Der Sinn für Farbenharmonie hat sich in den letzten
Jahrzehnten zweifellos verfeinert. Sowohl in der
eigentlichen Malerei, als auch in der angewandten Kunst
spielt heute die Farbe eine viel größere Rolle, als noch
in den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts.
Meines Wissens hat aber gerade das Gebiet der Farben-
harmonie von Seiten der wissenschaftlichen Ästhetik
nicht die entsprechende Berücksichtigung gefunden.

Als das Alpha und Omega der mir bekannten
Farbentheorien gilt das Gesetz, daß Farben um so
besser zusammenstimmen, je mehr sie sich gegenseitig
zu einem reinen Grau ergänzen, d. h. je mehr sie einen
neutralgrauen Gesamteindruck ergeben würden, wenn
man sie, ohne ihre Masse und Intensität zu ändern,
sämtlich ineinandermischte. Als die besten Zusammen-
stellungen gelten nach dieser Grautheorie solche Farben-
paare, die im Farbenkreise einander direkt gegenüber-
liegen, wie Blau und Orange, Grün und Rot usw., d. h.
solche, die die denkbar größten Kontraste bilden. Um
den grauen Gesamtton zu ergeben, müssen die Farben,
welche miteinander harmonieren sollen, Bestandteile
aller drei Grundfarben Gelb, Rot und Blau in gewissen
Mengen enthalten. Man hat diese Theorie sehr weit
ausgebaut, z. B. auch Drei-, Vier- und Fünlklänge und
ganz bestimmte, auf dem goldenen Schnitt beruhende
Verhältniszahlen für die Flächenausbreitung der Farben

bei gleicher Intensität aufgestellt. Alle Nebengesetze jener
Theorie laufen jedoch immer wieder auf das oben an-
geführte Hauptgesetz zurück, wonach nur zu beachten ist,
daß kein Ton das Übergewicht über die andern bekommt.

Nach Goethe liegt die Ursache für die harmonische
Wirkung solcher Farbenarrangements in dem »uns ein-
geborenen Bedürfnis nach Totalität«. »Wenn das Auge«,
so sagt er, >: eine Farbe erblickt, so wird es gleich in
Tätigkeit gesetzt, und es ist seiner Natur gemäß, auf
der Stelle eine andere, so unbewußt als notwendig,
hervorzubringen, welche mit der gegebenen die Totalität
des ganzen Farbenkreises enthält. Eine einzelne Farbe
erregt in dem Auge durch eine spezifische Empfindung
das Streben nach Allgemeinheit .... Hier liegt das
Grundgesetz aller Harmonie der Farbe.« Außer diesem
Gedanken und dem Hinweis auf die komplementär-
farbigen Nachbilder, welche entstehen, wenn man das
Auge zuerst einige Sekunden auf einen Farbenfleck und
dann schnell auf eine neutralfarbige schwarze, weiße
oder graue Fläche richtet, habe ich in einschlägigen
Schriften keine weitere Begründung - der Theorie finden
können. — Was mich zuerst mißtrauisch gegen die
Theorie machte, ist die feindselige Haltung wohl unserer
gesamten Künstlerschaft ihr gegenüber, weiterhin aber
kam mir immer mehr der geradezu auffallende Kontrast
zum Bewußtsein zwischen dem, was die Theorie lehrt,

1910. XI. i.
 
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