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SEPP FRANKS RADIERFOLGE
„MEINE SPANISCHE REISE"*)
s ist nichts bezeichnender für den Unter- Geschöpfen seiner Einbildungskraft machen
schied zwischen dem südlichen und nordi- wollte. Es steckt sehr viel Einfühlung in das
sehen Künstler, als daß der Südländer den Wesen dieser alten Städte und Bauten in die-
Sinn für die Landschaft nie in dem Maß ent- sen Radierungen, und sie gewinnen so ein
wickelt wie sein nordischer Kollege. Nament- eigentümliches neues Leben. Ein organisches
lieh in Spanien ist bis in verhältnismäßig späte Gebilde offenbart sich überall dem Betrachter,
Zeit weder bei Malern noch bei Graphikern wie er es nie aus einer photographischen Auf-
die Landschaft ein besonders gepflegtes Gebiet nähme erhalten kann. Und doch, so frisch auch
gewesen, und charakteristischerweise hat im sich hier Haus, Stadt und Land vor unseren
Zeitalter der Romantik die Tätigkeit englischer Augen entwickeln, man spürt doch das Stille,
Architekturmaler und die Kenntnis englischer Abgestorbene einer alten Kultur, vernimmt den
Stahlstiche der Kunst eines Villaamil erst Im- Klang einer fernen Zeit und empfindet mit dem
puls und Richtung verliehen. Künstler die Melancholie, die über allem liegt,
Dagegen sind die meisten nordischen Künst- die Himmel und Erde, Mensch und Stein zu
ler nicht nur von den höchst charaktervollen atmen scheinen.
Typen der spanischen Bevölkerung, der Rassig- Der Künstler führt uns nach Burgos, be-
keit der Menschen und der auf dem Land noch rauscht sich am Reichtum des Außenschmuckes
immer stolz bewahrten Eigentümlichkeit der der Kathedrale, wie an der mächtigen Wirkung
Tracht und Sitten angezogen, sondern ein jeder des lichtdurchströmten gewaltigen Innenraumes,
versucht die Stimmung der so verschiedenarti- Es fesselt ihn die Fassade von San Gregorio
gen spanischen Landschaft mit Farbe und Stift in Valladolid, die einem riesigen Spitzengewebe
festzuhalten. So hat auch ein deutscher Ra- vergleichbar, ein Hauptwerk jener spätgotischen
dierer wie Sepp Frank, der mit dem Romanen Dekorationskunst ist, die ihre Abstammung von
eine besondere Vorliebe für großfigurale Kom- dem maurischen Schmuckideal nie hat verleug-
position teilt, als erste Ausbeute einer spani- nen wollen.
sehen Reise nicht seine Eindrücke geschildert, Er schildert uns den eigentümlichen Misch-
die er von spanischem Wesen, von Menschen stil der spanischen Spätrenaissance in der An-
und ihrer Art empfangen hat, sondern das sieht von San Esteban in Salamanca, läßt Se-
kastilische Land, die herbe Größe, die stolze govia vor uns aufsteigen mit seiner alles be-
Pracht und kühne Wucht seiner köstlichen herrschenden spätgotischen Kathedrale und sei-
Bauwerke haben es ihm angetan. Seine Blätter nen romanischen Kirchlein. Er zeigt uns das
sind keineswegs Paraphrasen, Phantasien über Panorama der vom Tajo umgürteten, stolz auf-
kastilische Städte und Bauwerke, sondern sie steigenden alten Kaiserstadt Toledo und er
schildern in liebevoll sachlichem Eingehen, von reißt uns hinauf in seiner Darstellung des
einem fast spanischen Naturalismus erfüllt, diese Toledaner Doms mit dem kühn emporstreben-
Panoramen und Architekturwunder von dem ' den gotischen Turm. Endlich führt er uns mit
Standpunkt eines stets das Monumentale be- seiner Schilderung des alten Cuenca nach einer
tonenden, für alles Großzügige, Großräumige jener spanischen Städte, die an Romantik ihrer
eingenommenen Künstlers, der viel zu viel Re- Lage einander überbieten.
spekt vor den alten Schöpfungen hat, als daß Um in den Blättern die Frische und Un-
er sie in Darstellungen dieser Art gewisser- mittelbarkeit der graphischen Aufzeichnung vor
maßen vollkommen umbilden und zu reinen dem Objekt zu wahren, hat der Künstler mit
- Glück zu einer Verbindung von Vernis mou mit
*) Sepp Frank, Meine spanische Reise. Acht Radierungen. Kaltnadel gegriffen.
Ausgabe A u. B (Nr. i-50) vergriffen. AusgabeC: Drucke auf A,,„ T M^„<.r
Bütten (Nr. 51-200). München, F. Bruckmann A.-G. Aug. IViayer
Die Kunst für Alle. XXXVIII. Januar 1923
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SEPP FRANKS RADIERFOLGE
„MEINE SPANISCHE REISE"*)
s ist nichts bezeichnender für den Unter- Geschöpfen seiner Einbildungskraft machen
schied zwischen dem südlichen und nordi- wollte. Es steckt sehr viel Einfühlung in das
sehen Künstler, als daß der Südländer den Wesen dieser alten Städte und Bauten in die-
Sinn für die Landschaft nie in dem Maß ent- sen Radierungen, und sie gewinnen so ein
wickelt wie sein nordischer Kollege. Nament- eigentümliches neues Leben. Ein organisches
lieh in Spanien ist bis in verhältnismäßig späte Gebilde offenbart sich überall dem Betrachter,
Zeit weder bei Malern noch bei Graphikern wie er es nie aus einer photographischen Auf-
die Landschaft ein besonders gepflegtes Gebiet nähme erhalten kann. Und doch, so frisch auch
gewesen, und charakteristischerweise hat im sich hier Haus, Stadt und Land vor unseren
Zeitalter der Romantik die Tätigkeit englischer Augen entwickeln, man spürt doch das Stille,
Architekturmaler und die Kenntnis englischer Abgestorbene einer alten Kultur, vernimmt den
Stahlstiche der Kunst eines Villaamil erst Im- Klang einer fernen Zeit und empfindet mit dem
puls und Richtung verliehen. Künstler die Melancholie, die über allem liegt,
Dagegen sind die meisten nordischen Künst- die Himmel und Erde, Mensch und Stein zu
ler nicht nur von den höchst charaktervollen atmen scheinen.
Typen der spanischen Bevölkerung, der Rassig- Der Künstler führt uns nach Burgos, be-
keit der Menschen und der auf dem Land noch rauscht sich am Reichtum des Außenschmuckes
immer stolz bewahrten Eigentümlichkeit der der Kathedrale, wie an der mächtigen Wirkung
Tracht und Sitten angezogen, sondern ein jeder des lichtdurchströmten gewaltigen Innenraumes,
versucht die Stimmung der so verschiedenarti- Es fesselt ihn die Fassade von San Gregorio
gen spanischen Landschaft mit Farbe und Stift in Valladolid, die einem riesigen Spitzengewebe
festzuhalten. So hat auch ein deutscher Ra- vergleichbar, ein Hauptwerk jener spätgotischen
dierer wie Sepp Frank, der mit dem Romanen Dekorationskunst ist, die ihre Abstammung von
eine besondere Vorliebe für großfigurale Kom- dem maurischen Schmuckideal nie hat verleug-
position teilt, als erste Ausbeute einer spani- nen wollen.
sehen Reise nicht seine Eindrücke geschildert, Er schildert uns den eigentümlichen Misch-
die er von spanischem Wesen, von Menschen stil der spanischen Spätrenaissance in der An-
und ihrer Art empfangen hat, sondern das sieht von San Esteban in Salamanca, läßt Se-
kastilische Land, die herbe Größe, die stolze govia vor uns aufsteigen mit seiner alles be-
Pracht und kühne Wucht seiner köstlichen herrschenden spätgotischen Kathedrale und sei-
Bauwerke haben es ihm angetan. Seine Blätter nen romanischen Kirchlein. Er zeigt uns das
sind keineswegs Paraphrasen, Phantasien über Panorama der vom Tajo umgürteten, stolz auf-
kastilische Städte und Bauwerke, sondern sie steigenden alten Kaiserstadt Toledo und er
schildern in liebevoll sachlichem Eingehen, von reißt uns hinauf in seiner Darstellung des
einem fast spanischen Naturalismus erfüllt, diese Toledaner Doms mit dem kühn emporstreben-
Panoramen und Architekturwunder von dem ' den gotischen Turm. Endlich führt er uns mit
Standpunkt eines stets das Monumentale be- seiner Schilderung des alten Cuenca nach einer
tonenden, für alles Großzügige, Großräumige jener spanischen Städte, die an Romantik ihrer
eingenommenen Künstlers, der viel zu viel Re- Lage einander überbieten.
spekt vor den alten Schöpfungen hat, als daß Um in den Blättern die Frische und Un-
er sie in Darstellungen dieser Art gewisser- mittelbarkeit der graphischen Aufzeichnung vor
maßen vollkommen umbilden und zu reinen dem Objekt zu wahren, hat der Künstler mit
- Glück zu einer Verbindung von Vernis mou mit
*) Sepp Frank, Meine spanische Reise. Acht Radierungen. Kaltnadel gegriffen.
Ausgabe A u. B (Nr. i-50) vergriffen. AusgabeC: Drucke auf A,,„ T M^„<.r
Bütten (Nr. 51-200). München, F. Bruckmann A.-G. Aug. IViayer
Die Kunst für Alle. XXXVIII. Januar 1923
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