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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 38.1922-1923

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Nasse, Hermann: Otto Pippel
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https://doi.org/10.11588/diglit.14165#0233

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OTTO PIPPEL

Der Künstler und Maler, von dem hier kurz
die Rede sein soll, ist kein Unbekannter.
Es war schon oft Gelegenheit, seinen Werken
gegenüber feststellen zu dürfen, daß es deutsche
Impressionisten gibt, die ehrenvoll neben, ja
trotz den allein seligmachenden Franzosen be-
stehen können und sie an Stimmungsgehalt
noch übertreffen. Otto Pippel bringt in uns in
seinen Bildern vor allem Farbe und Licht, bringt
uns die Sonne, nach der wir mehr wie je, nach
des großen deutschen Klassikers so charakte-
ristischem Ausspruch, frieren.

Der Künstler, der in Karlsruhe bei Fehr und
Bergmann lernte, dann in Dresden bei Kuehl,
bekennt sich auch in seinen neuesten Bildern,
die in Brakls Kunsthaus einen trefflichen Über-
blick über die beiden letzten Schaffensjahre
boten, mutig zur Freilichtmalerei und zum
luminaristischen Impressionismus. Ein Tem-
perament der sprühenden, fließenden Farben,
die wie Feuerstrahlen und wie Feuergarben
emporzulodern scheinen, sieht alles Gegenständ-
liche nur im Spiel der Farben und des Lich-
tes, in steter schimmernder farbiger Bewegung
und Veränderlichkeit. Wuchtig und pastos fegt
der Pinsel die immer sehr hellen, bisweilen
grellen und immer in allen Tönen und Re-
flexen gebrochenen Farben über die Leinwand,
die herauszubrechen scheint, von der die Far-
ben sich in den Raum hineinzudrängen schei-
nen. Nicht um das Gegenständliche, sondern
um das Farbige alles Gegenständlichen, nicht
um die Form, sondern um die vom Licht be-
wegte Form und um äußerste Farbempfind-
lichkeit des Auges handelt es sich. Immer sind
es die Farben des Spektrums, die in Ströme
goldgelben Sonnenlichtes gebettet werden, die
in den Fluten eines gelblichen oder rötlichen
künstlichen Lichtes zu versinken scheinen,
immer weckt das wärmste Licht Tausende von
farbigen Reflexen und den wohligen Gegensatz
hellster farbiger Schatten. So entzündet das
Licht der Lampe die Gesichter der Männer,
die in sachlicher Hingebung, festgehalten in
ihren charakteristischen Stellungen und Bewe-
gungen, ihre Instrumente meistern und brandet

gegen das Rot des Teppichs und setzt die Wand
in Flammen. Wir erfahren wenig von indivi-
duell-persönlichen Zügen in diesen ernsten
Köpfen, aber wir vermögen uns in der Phan-
tasie ihr ganzes und persönliches Wesen vor-
zustellen, weil alles hierzu Notwendige im Bilde
enthalten ist. Wir sehen einen eleganten Herrn
in Gelbgrau in Unterhaltung mit einer jungen
Schönheit im sattblauen Badekostüm und hinter
ihnen ein Gewimmel farbiger Figuren und einen
sonnendurchglühten Strand ins Meer verlaufen.
Auch hier nichts Porträtmäßiges, keine Son-
derexistenz, sondern alles ordnet sich farbig
dem farbigen Ganzen ein und erhält Atem
und Leben vom funkelnden Sonnenlicht. Es
entsteht der beglückende Eindruck eines Som-
mertages am Badestrand. Farbige Schatten
erfüllen einen dunkelnden Raum, auf dessen
Diele Goldstäubchen spielen, während draußen
die Terrasse noch ganz im Hellen liegt und
funkelndes, gelbgrünliches Laub vom Garten
her aufjubelt. Das Licht, das von den Lüstern
eines festlich eleganten Salons ausgeht, ergießt
sich in breiten leuchtenden Strömen über die
weiße Decke des Tisches, über die Blumen
und über die Köpfe und Silhouetten aller
Teilnehmer, bis es vom farbigen Dunkel des
Grundes verschluckt wird. Alle Farben, alle
Reflexe spielen am gelbgrünlichen Himmel und
über der schimmernden Fläche des Sees, in
dem wieder Berge und Himmel farbig sich
spiegeln, wenn der Künstler uns einen be-
kannten Bergsee vor Augen führt, an dessen
erhöhtem Ufer tiefblaue Tannen und noch ent-
laubte Buchen stehen, in deren Zweigen das
Wehen der Luft gleichsam zu fühlen ist, denen
jede materielle Schwere genommen ist. — Es
ist eine gesunde sinnenfrohe Kunst, die uns
der Künstler schenkt. Er weiß alle Register
seiner farbensprühenden Palette zu ziehen und
uns mitzureißen mit seinen rauschenden Far-
benträumen, auch wenn sie uns nichts oder
nur wenig aussagen von inneren seelischen
Erschütterungen, nichts aussagen wollen von
solchen.

Hermann Nasse

Die Kuns! für Alle. XXXVIII. Mai 1953

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