B Kunstbibliothek
Staatliche Museen
ERNST KREIDOLF ATRAGENA
Aus Alpenblumen-Märchen". Fotafftl-Verlag, Erlenbach-Zürich
ERNST KREIDOLF
rama seiner großväterlichen Heimat Tägerwilen
hat er sich die Mittel zur Reise nach München
und zum ersten Aufenthalt dort erworben. Auch
die zehn Jugendjahre bei dem besinnlichen und
beschaulichen, naturliebenden Großvater sind
in der Folge ergiebig für den angehenden Künst-
ler geworden. Sie haben das Leben Kreidolfs
mit und in der Natur befruchtet und seine
naturdichterischen Anlagen geweckt und er-
weitert.
Leicht begreiflich, daß für den nur mit der
Natur und ihrem geheimen Weben und Sein
verbundenen Künstler die Jahre der Kunst-
gewerbeschule und Akademie notvolle Jahre
gewesen sind, abgesehen von der bedrängten
Lebenslage, die zu peinlicher Brotarbeit zwang.
Die Notwendigkeit, die den erschöpften Kör-
per anfangs der neunziger Jahre aus der Groß-
stadtluft und ihrem Betrieb wieder in die Natur
und ihre Heilkraft zurückwies, ließ dort das
elementare Gefühl für die Kleinwelt rasch
wachsen. In Partenkirchen entstand, angeregt
durch ein im Spätherbst noch blühendes Büschel
Schlüsselblumen und Enzian, das erste Blatt der
Als Ende der neunziger Jahre die „Blumen-
märchen" von Ernst Kreidolf ihre reine
Poesie undlautere Schönheit verkündeten,dachte
wohl niemand daran, daß der urdeutsche Meister
dieser stillen und feinen Kunst nach 25 Jahren
ein Künstler geworden sein würde, dessen Name
in Europa, Amerika und Ostasien Klang und
Wert hat. Deutschland war in jenen Jahren
daran, sein Kunstgewerbe zu erneuern und her-
vorragende künstlerische Kräfte in den Dienst
dieser großen Umwandlung zu stellen. Die
„Münchener Vereinigten Werkstätten" waren
der Ausgangspunkt für diese Bewegung; dort
lagen die „Blumenmärchen" erstmals zum Ver-
kauf aus. Sie hatten ihre Leidensgeschichte,
ehe es so weit hatte kommen können.
Der junge Schweizer (geb. am g. Februar 1863
zu Bern) hatte zu Konstanz in der lithogra-
phischen Anstalt von Pecht und bei dem Kir-
chenmaler Hengartner, einem Schüler der klassi-
zistischen Marie Ellenrieder, die Lehre durch-
gemacht, während der sein Wunsch, Maler zu
werden, unüberwindbar geworden war. Durch
ein selbstentworfenes und lithographiertes Pano-
203
27
Staatliche Museen
ERNST KREIDOLF ATRAGENA
Aus Alpenblumen-Märchen". Fotafftl-Verlag, Erlenbach-Zürich
ERNST KREIDOLF
rama seiner großväterlichen Heimat Tägerwilen
hat er sich die Mittel zur Reise nach München
und zum ersten Aufenthalt dort erworben. Auch
die zehn Jugendjahre bei dem besinnlichen und
beschaulichen, naturliebenden Großvater sind
in der Folge ergiebig für den angehenden Künst-
ler geworden. Sie haben das Leben Kreidolfs
mit und in der Natur befruchtet und seine
naturdichterischen Anlagen geweckt und er-
weitert.
Leicht begreiflich, daß für den nur mit der
Natur und ihrem geheimen Weben und Sein
verbundenen Künstler die Jahre der Kunst-
gewerbeschule und Akademie notvolle Jahre
gewesen sind, abgesehen von der bedrängten
Lebenslage, die zu peinlicher Brotarbeit zwang.
Die Notwendigkeit, die den erschöpften Kör-
per anfangs der neunziger Jahre aus der Groß-
stadtluft und ihrem Betrieb wieder in die Natur
und ihre Heilkraft zurückwies, ließ dort das
elementare Gefühl für die Kleinwelt rasch
wachsen. In Partenkirchen entstand, angeregt
durch ein im Spätherbst noch blühendes Büschel
Schlüsselblumen und Enzian, das erste Blatt der
Als Ende der neunziger Jahre die „Blumen-
märchen" von Ernst Kreidolf ihre reine
Poesie undlautere Schönheit verkündeten,dachte
wohl niemand daran, daß der urdeutsche Meister
dieser stillen und feinen Kunst nach 25 Jahren
ein Künstler geworden sein würde, dessen Name
in Europa, Amerika und Ostasien Klang und
Wert hat. Deutschland war in jenen Jahren
daran, sein Kunstgewerbe zu erneuern und her-
vorragende künstlerische Kräfte in den Dienst
dieser großen Umwandlung zu stellen. Die
„Münchener Vereinigten Werkstätten" waren
der Ausgangspunkt für diese Bewegung; dort
lagen die „Blumenmärchen" erstmals zum Ver-
kauf aus. Sie hatten ihre Leidensgeschichte,
ehe es so weit hatte kommen können.
Der junge Schweizer (geb. am g. Februar 1863
zu Bern) hatte zu Konstanz in der lithogra-
phischen Anstalt von Pecht und bei dem Kir-
chenmaler Hengartner, einem Schüler der klassi-
zistischen Marie Ellenrieder, die Lehre durch-
gemacht, während der sein Wunsch, Maler zu
werden, unüberwindbar geworden war. Durch
ein selbstentworfenes und lithographiertes Pano-
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