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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 38.1922-1923

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Nasse, Hermann: Francesco Guardi (1712-1793)
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https://doi.org/10.11588/diglit.14165#0138

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FRANCESCO GUARDI DAS URTEIL DES PARIS

FRANCESCO GUARDI

(1712—1703)

Dem vorwiegend plastischen Interesse der
Florentiner und ihrer in der Hauptsache
linearen Form setzten die Venezianer von jeher
das der Farbe und das Malerische entgegen.
Venedigs älteste Meister schon hatten Sinn und
Auge für das Wechselspiel der Atmosphäre und
für den malerischen Reiz des schimmernden
Goldes und farbiger Steine. Aureolen und selbst
das ganze Gewand der herben, spröden Ma-
donnen der Vivarini funkeln auf im strahlen-
den Glanz des Goldes und der Edelsteine. Gold
liebt Crivelli, sogar plastisch aufgesetzt, für
seine in Sehnsucht erzitternden Marien und
heiligen Frauen, deren Glieder so dünn und so
zart gehalten sind. Der alte Giacomo, der Stamm-
vater der Bellini, sowie nach ihm Gentile Bellini
aber entdecken dazu das rastlose Spiel der
Sonne und das Zittern und Gleiten der Luft.
Scheu und zurückhaltend ist dabei ihr Kolorit,
in noch ein wenig dünner Reinheit und Klar-
heit erklingen die Melodien ihrer Paletten. Erst
mit Giovanni Bellini und Giorgione rauschen
jene tief warmen volleren Farbenakkorde auf,
werden die Formen breiter und kraftvoller, um

in Tizian das Höchste an Harmonie und Aus-
geglichenheit, an satter Tiefe zu erreichen. Von
seinem Erbe zehren Generationen, auch Tinto-
retto setzt ihn fort, um dann seine ureigenste,
barock-visionäre Sprache zu finden. Auf das
Pathos des 17. Jahrhunderts folgt die tändelnde
Grazie des 18. auch in Venedig. Guardi, schon
an der Schwelle einer neuen Zeit, des frühen
Klassizismus, singt noch einmal als letzter
gleich jenen Frühesten das hohe Lied des far-
bigen Lichtes und wie jene in unvergleichlicher
empfindsamer, keuscher Lyrik.

Francescos Vater Domenico war Maler, Canale
wurde sein Lehrer, Tiepolo sein Schwager. Sonst
weiß man nur noch, daß Guardi, der 1712 zur
Welt kam, erst 1762 Mitglied der Malergilde
wurde und die Venezianerin Maria Pagani
heiratete. 1764 stellte er zwei von einem Eng-
länder bestellte Gemälde aus; 1782 malte er,
gleichfalls für einen Engländer, die wichtig-
sten Ereignisse des Besuches Pius VI. Zuletzt
war er verarmt und mußte seine Bilder ver-
schleudern. Man kennt nicht das Grab, nur
das Sterbehaus des 1793 verstorbenen Meisters,

Die Kunst für Alle. XXXVIII. Februar 1933

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