EDMUNDKANOLDT
JUDENFRIEDHOF IN PRAG (1877)
laß ihrer Erwerbung für das Deutsche Reich
er war — das nebenbei), in den Darstellungen
deutscher Burgen und Schlösser, sowie päpst-
licher Gärten und Villen, in all diesen Werken
finden wir den erstrebten künstlerischen Aus-
druck gestaltet, das gesteckte Ziel erreicht.
Unternehmen wir es, von diesem Punkte aus,
einige seiner Werke gesondert ins Auge zu
fassen, so erblicken wir in den Landschafts-
bildern aus der römischen Campagna etwa:
„Sedia del Diavolo" (Abb. S. 149) und in dem Ge-
mälde „Der Judenfriedhof" (Abb. S. 148) die Über-
windung der formelhaften Starre der Klassik zu
Gunsten einer weicheren Belebung, zum Vor-
teil eines farbigen Empfindens von Kultur und
Delikatesse, die den besten Franzosen ihrer
Zeit Ehre gemacht hätten, und für Deutsch-
land von verwunderlicher und beachtenswerter
Seltenheit, wenn man bedenkt, daß sie um 1873
entstanden sind, in einer Zeit also des Gähnens
und der Öde!
Zu eigenartiger Vollendung konnte Kanoldt
seine Kunst erheben in jenen Gemälden, wo
er das Starre, Gehaltene, Scheinbar-Leblose im
Bezirke der belebten Natur darstellen durfte, in-
dem er es an ihr belebte, also den umgekehrten
Weg einschlug, wie früher (bei den Figuren-
bildern, wo er das an sich schon Lebendige: die
Figur zum Scheinbar-Toten: zur Säule erkal-
ten machte), in jenen Gemälden also, die wie
der „Brunnen in Caprarola", die „Zypressen
einer Villa zu Nervi", die Säulen der Villa d'Este,
und, wie uns dünkt, am höchsten in jener Land-
schaft bei Brissago, der „Madonna del Monte",
ein Lebloses, das heißt etwa: einen Säulengang,
Grabsteine, Gebäude, die spielerische Starrheit
eines Brunnens darstellen und an dem Leben
rings der reich quellenden Natur aufströmen,
selbst lebendig werden lassen konnte.
In all diesen Gemälden ist die Zweiheit der
Kräfte, die in jedem Künstler, und (in welcher
besonderen Tönung, haben wir gesehen) auch in
Kanoldt miteinander ringen, zur Einheit gestei-
gert und gebändigt, das ist: Kunstwerk geworden.
Das männliche Prinzip seines Schaffens, vor-
her ausschließlich und voll Eigensinn, hat sich
nicht zersetzt oder gemindert, aber aufge-
löst in Bewegung, hat sich geändert, und dem
weiblichen Akkord der Stimmung breiteren Zu-
gang gewährt, ja diesem den Vorrang einge-
räumt, wie das Bild mit dem „Olivenhain" dar-
tut — zuweilen, ohne sich darin zu verlieren,
als in ein Extrem, das seiner Natur zuwider-
gelaufen wäre.
Denn niemals verzichtete Kanoldt auf das
Recht des Künstlers, die ungeformte Natur ab-
zuwandeln, nach höheren Ausdrucksmöglich-
keiten, Rhythmen also, zu stilisieren, und so
148
JUDENFRIEDHOF IN PRAG (1877)
laß ihrer Erwerbung für das Deutsche Reich
er war — das nebenbei), in den Darstellungen
deutscher Burgen und Schlösser, sowie päpst-
licher Gärten und Villen, in all diesen Werken
finden wir den erstrebten künstlerischen Aus-
druck gestaltet, das gesteckte Ziel erreicht.
Unternehmen wir es, von diesem Punkte aus,
einige seiner Werke gesondert ins Auge zu
fassen, so erblicken wir in den Landschafts-
bildern aus der römischen Campagna etwa:
„Sedia del Diavolo" (Abb. S. 149) und in dem Ge-
mälde „Der Judenfriedhof" (Abb. S. 148) die Über-
windung der formelhaften Starre der Klassik zu
Gunsten einer weicheren Belebung, zum Vor-
teil eines farbigen Empfindens von Kultur und
Delikatesse, die den besten Franzosen ihrer
Zeit Ehre gemacht hätten, und für Deutsch-
land von verwunderlicher und beachtenswerter
Seltenheit, wenn man bedenkt, daß sie um 1873
entstanden sind, in einer Zeit also des Gähnens
und der Öde!
Zu eigenartiger Vollendung konnte Kanoldt
seine Kunst erheben in jenen Gemälden, wo
er das Starre, Gehaltene, Scheinbar-Leblose im
Bezirke der belebten Natur darstellen durfte, in-
dem er es an ihr belebte, also den umgekehrten
Weg einschlug, wie früher (bei den Figuren-
bildern, wo er das an sich schon Lebendige: die
Figur zum Scheinbar-Toten: zur Säule erkal-
ten machte), in jenen Gemälden also, die wie
der „Brunnen in Caprarola", die „Zypressen
einer Villa zu Nervi", die Säulen der Villa d'Este,
und, wie uns dünkt, am höchsten in jener Land-
schaft bei Brissago, der „Madonna del Monte",
ein Lebloses, das heißt etwa: einen Säulengang,
Grabsteine, Gebäude, die spielerische Starrheit
eines Brunnens darstellen und an dem Leben
rings der reich quellenden Natur aufströmen,
selbst lebendig werden lassen konnte.
In all diesen Gemälden ist die Zweiheit der
Kräfte, die in jedem Künstler, und (in welcher
besonderen Tönung, haben wir gesehen) auch in
Kanoldt miteinander ringen, zur Einheit gestei-
gert und gebändigt, das ist: Kunstwerk geworden.
Das männliche Prinzip seines Schaffens, vor-
her ausschließlich und voll Eigensinn, hat sich
nicht zersetzt oder gemindert, aber aufge-
löst in Bewegung, hat sich geändert, und dem
weiblichen Akkord der Stimmung breiteren Zu-
gang gewährt, ja diesem den Vorrang einge-
räumt, wie das Bild mit dem „Olivenhain" dar-
tut — zuweilen, ohne sich darin zu verlieren,
als in ein Extrem, das seiner Natur zuwider-
gelaufen wäre.
Denn niemals verzichtete Kanoldt auf das
Recht des Künstlers, die ungeformte Natur ab-
zuwandeln, nach höheren Ausdrucksmöglich-
keiten, Rhythmen also, zu stilisieren, und so
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