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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 38.1922-1923

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Lessing, Waldemar: Bonaventura Genelli: aus dem Leben eines Künstlers
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https://doi.org/10.11588/diglit.14165#0388

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an die Wirklichkeit und aus visionären Phanta-
sien erstanden diese Gebilde, die romantisch durch
ihre Stimmungswerte auch in der Form nicht
die Kühle der auf reine Linie abstrahierten klassi-
zistischen Umrißstiche eines Carstens oder Flax-
man haben. Für Genelli war Antike und Leben
eine Einheit. Nur in antikischer Gestalt scheint
ihm das Verkörperung finden zu können, was ihm
von seinem Leben dauernde Gültigkeit behalten
zu haben scheint. Aber gerade dadurch, daß er
in romantischer Sehnsucht ideale Form und reale
Erscheinung zu vereinen sucht, bleibt ihm klas-
sische Harmonie versagt. Der Zwiespalt in seinem
Leben zwischen Wollen und Können, zwischen
idealen Zielen und enttäuschender Wirklichkeit
lagert auch über dem Werke, in dem Genelli
seinem Leben in Bildern Gestalt gab. Diese Bilder-
folge wird so zum sinnfälligen Ausdruck für die
romantische Tragik eines deutschen Künstler-
schicksals.

Ulrich Christoffel hat zu den Kompositionen
und ihren „Erläuterungen" einen begleitenden

Text geschrieben, der den besinnlichen Betrachter
in die tiefe Bedeutung und den seelischen Gehalt
der Zeichnungen meisterhaft einführt. Seine Bild-
analysen werden zu einem dichterischen Nach-
schaffen, das von Seite zu Seite die menschliche
Teilnahme an dem Werk und dem Schicksal des
Künstlers steigert; der begleitende Text ist in
eine Darstellung des Lebens Genellis so glücklich
verwoben, daß Künstler und Werk zu einem
Ganzen verwachsen.

Als Einführung in Genellis Kunst dienen
Betrachtungen über die Auffassung der Antike
im ausgehenden achtzehnten Jahrhundert und im
Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, in denen
„die Entwicklung vom Rokoko zum idealistischen
Klassizismus vor der Revolution und dem rea-
listischen Klassizismus nach der Revolution" mit
ihrer Einmündung in dieRomantik dargestellt wird.

Diese Einleitung bildet eine der wertvollsten
Bereicherungen unserer Anschauungen über die
Kunst zur Zeit der Klassik und Romantik.

Waldemar Lessing

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