Zur Unterscheidung einer antiken von einer
modernen Glyptik ist auch die Kenntnis der
Arbeiten aus der Zeit der Renaissance und der
neueren Zeit notwendig. Das wenige, das in
Byzanz im Anschluß an die spätrömische Gly-
ptik entstanden ist, beschäftigt sich fast aus-
schließlich mit christlichen Darstellungen. Der
\ erwendung als Schmuckstücke an kirchlichen
Geräten entsprechend, wurde besonders der
Kameo gepflegt. Die Farbschichten des Band-
achats wurden zur Belebung des Reliefs mit
\ orliebe ausgenützt. Die Prachtsiegel mit alt-
christlichen Darstellungen — meist in Achat
geschnitten — vermitteln der Renaissance we-
o
niger die Kunst der antiken Glyptik als den
Gebrauch des Siegels.
In der Zeit des Wiedererwachens der Antike
in Italien legte man am päpstlichen Hofe, an
den Höfen der mächtigen Mediceer und anderer
Fürsten Sammlungen von Objekten antiker
Glyptik an. V on diesen hohen Gönnern wurden
Künstler beauftragt, nach dem Vorbild der
Antike vertieft und erhaben in Stein zu schnei-
den. Neben der Befriedigung der Sammler dien-
ten diese kleinplastischen Arbeiten auch kunst-
gewerblichen Zwecken. Hauptsächlich Kameen
pflegte man als Anhänger an Halsketten oder
als Appliken zu verwenden. Die Stoffe wurden
häufig dem Altertum entnommen, aber in einem
dem Kunstgeist der Renaissance entsprechenden
freien Stil verarbeitet. Es handelt sich in diesen
\\ erken also keinesfalls um sklavische Kopien
antiker Vorbilder, die geeignet gewesen wären,
den Sammlern Originale aus dem Altertum vor-
zutäuschen: der Renaissancekünstler bewahrt
immer so viel Eigenart, die ihn von der Antike
unterscheidet, daß man seine Werke unschwer
als Arbeiten der Renaissance erkennt. Eine
Reihe von Künstlern, die in der Geschichte der
italienischen Renaissancemcdaille genannt wer-
den, haben sich auch mit der Steinschneidekunst
beschäftigt, es sind dies neben anderen besonders
der für Lorenzo de" Medici in Florenz arbeitende
Giovanni delle Corniole, Giovanni Bernardi di
Castel-Bolognese, der für Herzog Alfonso von
Ferrara und die Kardinäle Ippolito de" Medici
und Alessandro Farnese tätig war, und ferner
Valerio Belli, der nach graphischen Vorbildern
gleichzeitiger großer Meister und nach antiken
Münzbildern eine außerordentlich fruchtbare
Tätigkeit im Steinschneiden entwickelte. An
seinen Hof halte der kunsteifrige König Franz I.
von Frankreich den Veroneser Künstler Matteo
dal Nassaro gezogen, dessen in Stahl und Stein
geschnittene Arbeiten auch von dem eigensüch-
tigen Benvenuto Cellini gerühmt wurden und
der auf die weitere Entwicklung der französi-
schen Stempelschneidekunst und Glyptik von
nachhaltigem Einfluß blieb.
Von den ins 17. Jahrhundert reichenden Aus-
läufern der Renaissanse-Glyptik sind als verein-
zelte hervorragende Erscheinungen am Wiener
und bayerischen Hofe zur Zeit des Kurfürsten
Maximilian I. tätige Künstler, die sich vor-
nehmlich mit Porträts befaßten, zu nennen. Im
übrigen jedoch bedeutete das ij. Jahrhundert
ebenso wie für die Medaillenkunst auch für die
Glyptik einen Niedergang und Tiefstand, was
wohl in dem schwindenden Bedürfnisse nach
geschnittenen Steinen begründet war.
Im 18. Jahrhundert setzt eine zweite große Blüte
in der Steinschneidekunst ein, die bald die For-
men der Benaissance und des Barock abstreift
und sich bemüht, in das V\ esen der Antike ein-
zudringen und ihren Stil nachzuahmen. In
dieser klassizistischen Richtung ist neben der
Antike auch die zeitgenössische Kunst — vor
allem Thorwaldsen — vorbildlich gewesen.
Künstler wie Lorenz Natter und Johann und
Ludwig Pichler schufen einerseits in ihren Stein-
schnitten zeitgemäße Kunst und kamen andrer-
seits den antiken Vorbildern so nahe, daß ihre
Arbeiten in manchen Fällen schwer von den
Originalen des Altertums zu unterscheiden sind.
Goethe spricht einmal sehr treffend von der
Beurteilung dieser antikisierenden Arbeiten:
„Worauf beruht der Beweis (bei zweifelhaften
Gemmen) anders als auf einem inneren Gefühl,
begünstigt durch ein geübtes Auge, das gewisse
Kennzeichen gewahr zu werden vermag, auf
geprüfter Wahrscheinlichkeit historischer For-
derungen und auf gar manchem anderen, wo-
durch wir, alles zusammengenommen, uns doch
nur selbst, nicht aber einen anderen überzeugen."
Seit der Mi tte des 19. Jahrh under ts trat ein rapider
Niedergang der Glyptik ein: erst in den beiden
letzten Dezennien scheint die Steinschneidekunst
im Gefolge der Wiederbelebungder Medaille eif-
riger gepflegt zu werden. DenSleinschleifereien
zu Idar und Oberstein, die durch die Bearbeitung
des in dieser Gegend vorkommenden Achats be-
kannt sind, wurden Fachschulen angegliedert, in
denen junge Leute zu Meistern der Technik des
Steinschneidens herangebildet wurden. Leider
aber sind von ilmen nur wenige Künstler im
eigentlichen Sinne des W ortes geworden, sie be-
122
modernen Glyptik ist auch die Kenntnis der
Arbeiten aus der Zeit der Renaissance und der
neueren Zeit notwendig. Das wenige, das in
Byzanz im Anschluß an die spätrömische Gly-
ptik entstanden ist, beschäftigt sich fast aus-
schließlich mit christlichen Darstellungen. Der
\ erwendung als Schmuckstücke an kirchlichen
Geräten entsprechend, wurde besonders der
Kameo gepflegt. Die Farbschichten des Band-
achats wurden zur Belebung des Reliefs mit
\ orliebe ausgenützt. Die Prachtsiegel mit alt-
christlichen Darstellungen — meist in Achat
geschnitten — vermitteln der Renaissance we-
o
niger die Kunst der antiken Glyptik als den
Gebrauch des Siegels.
In der Zeit des Wiedererwachens der Antike
in Italien legte man am päpstlichen Hofe, an
den Höfen der mächtigen Mediceer und anderer
Fürsten Sammlungen von Objekten antiker
Glyptik an. V on diesen hohen Gönnern wurden
Künstler beauftragt, nach dem Vorbild der
Antike vertieft und erhaben in Stein zu schnei-
den. Neben der Befriedigung der Sammler dien-
ten diese kleinplastischen Arbeiten auch kunst-
gewerblichen Zwecken. Hauptsächlich Kameen
pflegte man als Anhänger an Halsketten oder
als Appliken zu verwenden. Die Stoffe wurden
häufig dem Altertum entnommen, aber in einem
dem Kunstgeist der Renaissance entsprechenden
freien Stil verarbeitet. Es handelt sich in diesen
\\ erken also keinesfalls um sklavische Kopien
antiker Vorbilder, die geeignet gewesen wären,
den Sammlern Originale aus dem Altertum vor-
zutäuschen: der Renaissancekünstler bewahrt
immer so viel Eigenart, die ihn von der Antike
unterscheidet, daß man seine Werke unschwer
als Arbeiten der Renaissance erkennt. Eine
Reihe von Künstlern, die in der Geschichte der
italienischen Renaissancemcdaille genannt wer-
den, haben sich auch mit der Steinschneidekunst
beschäftigt, es sind dies neben anderen besonders
der für Lorenzo de" Medici in Florenz arbeitende
Giovanni delle Corniole, Giovanni Bernardi di
Castel-Bolognese, der für Herzog Alfonso von
Ferrara und die Kardinäle Ippolito de" Medici
und Alessandro Farnese tätig war, und ferner
Valerio Belli, der nach graphischen Vorbildern
gleichzeitiger großer Meister und nach antiken
Münzbildern eine außerordentlich fruchtbare
Tätigkeit im Steinschneiden entwickelte. An
seinen Hof halte der kunsteifrige König Franz I.
von Frankreich den Veroneser Künstler Matteo
dal Nassaro gezogen, dessen in Stahl und Stein
geschnittene Arbeiten auch von dem eigensüch-
tigen Benvenuto Cellini gerühmt wurden und
der auf die weitere Entwicklung der französi-
schen Stempelschneidekunst und Glyptik von
nachhaltigem Einfluß blieb.
Von den ins 17. Jahrhundert reichenden Aus-
läufern der Renaissanse-Glyptik sind als verein-
zelte hervorragende Erscheinungen am Wiener
und bayerischen Hofe zur Zeit des Kurfürsten
Maximilian I. tätige Künstler, die sich vor-
nehmlich mit Porträts befaßten, zu nennen. Im
übrigen jedoch bedeutete das ij. Jahrhundert
ebenso wie für die Medaillenkunst auch für die
Glyptik einen Niedergang und Tiefstand, was
wohl in dem schwindenden Bedürfnisse nach
geschnittenen Steinen begründet war.
Im 18. Jahrhundert setzt eine zweite große Blüte
in der Steinschneidekunst ein, die bald die For-
men der Benaissance und des Barock abstreift
und sich bemüht, in das V\ esen der Antike ein-
zudringen und ihren Stil nachzuahmen. In
dieser klassizistischen Richtung ist neben der
Antike auch die zeitgenössische Kunst — vor
allem Thorwaldsen — vorbildlich gewesen.
Künstler wie Lorenz Natter und Johann und
Ludwig Pichler schufen einerseits in ihren Stein-
schnitten zeitgemäße Kunst und kamen andrer-
seits den antiken Vorbildern so nahe, daß ihre
Arbeiten in manchen Fällen schwer von den
Originalen des Altertums zu unterscheiden sind.
Goethe spricht einmal sehr treffend von der
Beurteilung dieser antikisierenden Arbeiten:
„Worauf beruht der Beweis (bei zweifelhaften
Gemmen) anders als auf einem inneren Gefühl,
begünstigt durch ein geübtes Auge, das gewisse
Kennzeichen gewahr zu werden vermag, auf
geprüfter Wahrscheinlichkeit historischer For-
derungen und auf gar manchem anderen, wo-
durch wir, alles zusammengenommen, uns doch
nur selbst, nicht aber einen anderen überzeugen."
Seit der Mi tte des 19. Jahrh under ts trat ein rapider
Niedergang der Glyptik ein: erst in den beiden
letzten Dezennien scheint die Steinschneidekunst
im Gefolge der Wiederbelebungder Medaille eif-
riger gepflegt zu werden. DenSleinschleifereien
zu Idar und Oberstein, die durch die Bearbeitung
des in dieser Gegend vorkommenden Achats be-
kannt sind, wurden Fachschulen angegliedert, in
denen junge Leute zu Meistern der Technik des
Steinschneidens herangebildet wurden. Leider
aber sind von ilmen nur wenige Künstler im
eigentlichen Sinne des W ortes geworden, sie be-
122