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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 42.1926-1927

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Wolf, Georg Jacob: Böcklin - Das Fanal: zur Basler Jubiläumsausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14162#0377

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des Zweifeins und Mißverstehens war bald über-
wunden, und man glaubt Wilhelm Barth gerne,
wenn er erzählt, welch gewaltiges Interesse seit
den siebziger Jahren das Erscheinen jedes neuen
Werks von Böcklin in Basel hervorrief und
wie oftmals die ganze Stadt von nichts an-
derem sprach als von einem einzigen Gemälde.
„Basel darf sich heute jener Tage entsinnen,
der Zeit des ersten Aufstiegs zum Buhm für
Böcklin. Die beiden Freskenzyklen, die einzigen
seines Lebens, und die „Jagd der Diana", die
herrlich bleibt auch inmitten von hundertfünf-
zig anderen Werken, sind keine verächtlichen
Zeugen für frühzeitiges Verständnis bei seinen
Mitbürgern."

In der Tat hat auch das Basler Museum und
der Basler Privatbesitz an Böcklin-Werken den
Hauptanteil des Verdienstes am Zustandekom-
men der Ausstellung. Natürlich steuerten auch
die übrigen schweizerischen Museen und Privat-
sammlungen reichlich bei, vor allem das Kunst-
haus in Zürich, die Museen in Bern, Luzern
und Aarau. Beich und würdig spendeten öffent-
liche und private Sammlungen Deutschlands,
voran die Berliner Nationalgalerie, die Neue
Pinakothek in München und die Schackgalerie
in München, die bekanntlich nicht weniger als
16 Gemälde Böcklins besitzt, die für sein
Schaffen zwischen 1860 und 1870 kennzeich-
nend sind. Das Hessische Landesmuseum in
Darmstadt sandte nicht viele, aber mit die
schönsten Bilder zur Ausstellung; Dresden,
Hamburg. Budapest, Mannheim. Heidelberg
schlössen sich an. So kam etwas mehr als ein
Drittel von Böcklins Gesamtwerk zusammen,
und die Auswahl ist so ausgezeichnet, daß von
den stammelnden Versuchen des Siebzehnjäh-
rigen bis zu Böcklins letztem Meisterwerk, der
kurz vor seinem Tod entstandenen und wie ein
philosophisches und künstlerisches Vermächt-
nis gemahnenden „Melancholie" sich keine
Lücke im Abbild des Entwicklungsganges des
Meisters auftut. Ein wundervoller Werdegang
ist dies, der rasch die Höhe erklimmt und sich
ein halbes Jahrhundert lang auf dem schmalen

Kamm des Unsterblichkeitsweges zu hallen ver-
mag. Die purpurne Tiefe einer großen Seele
enthüllt sich, sie strahlt aus in mitreißenden
Stimmungen, im gewaltigen Auf und Ab der
Empfindungen, die von Begeisterung für die sin-
nenfrohe Welt der Antike und von echt ober-
deutschem Humor spaßigster Artung bis zur
dunkelsten Melancholie in allen Farben spielen.
Musik, die aus jeder Schöpfung Böcklins klingt,
verbündet sich mit freudig emporjauchzender
Farbigkeit: unerschöpflich ist die Phantasie, die
Gesichtefülle des großen Künstlers, der in sei-
nem Schaffen ein wiedergeborener Giorgione
oder Tizian, ein aus der Renaissance in das
neunzehnte Jahrhundert verschlagener Maler-
fürst zu sein scheint. Der Landschafter Böcklin
führt den Reigen der Werke an; man verspürt
da und dort ein wenig die Lehre Schirmers und
die Arbeit in Calames Werkstatt, erkennt aber
bald, wie Böcklin nicht nur die Stimmung der
ihn umgebenden Natur feinfühlig und sublimiert
in Gestalten umzuwandeln wußte, sondern wie
der Mensch selbst ihn fesselte, ihm Probleme
stellte und in seiner Kunst Bedeutung ge-
wann und behielt. Ein wie ausgezeichneter Bild-
nismaler Böcklin war, davon gibt die Aus-
stellung endlich die richtige Vorstellung. Und
dies ist die eine große Offenbarung der Aus-
stellung: die andere ist die, daß der späte Böcklin
an Kraft und Tiefe, an Eindrucksfähigkeit und
Fülle der Gesichte eher gewann als einbüßte.
Dies ist eine besonders nachhaltige „Entdek-
kung",denn Kollektivausstellungen pflegen sonst
zu offenbaren, wie kurz nach den frühen, star-
ken Erfolgen eines jungen Meisters langsam der
Abstieg beginnt, und wie, oft über Jahrzehnte
hin, der starke, frohe Ton der Jugend immer
trauriger und wehmütiger ausklingt.
Was die Basler mit der Ausstellung beabsich-
tigten: dem Künstler Ehre zu erweisen durch
den Glanz und die Tiefe dessen, was er ge-
schaffen, haben sie erreicht. Und mehr als dies:
es ist, als ob Böcklin selbst lebendig inmitten
dieser seiner Welt wandelte; denn sie ist seines
unsterblichen Geistes voll. Georg Jacob'Wolf

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