Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 19.1921

DOI Heft:
Heft 2
DOI Artikel:
Pauli, Gustav: Ferdinand von Rayski: das Bildnis des Herrn Benecke von Gröditzberg
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4746#0077

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Allgemeinste verbindet ihn mit den Modemalern
in Paris und London, nichts anderes als das inter-
nationale Fluidum des Zeitgeschmacks; es trägt
ihn wie ein Strom das Fahrzeug; doch was das
Fahrzeug birgt, ist sein Eigentum.

Man hat oftmals auf die Gefahren hingewiesen,
die in Gestalt von Erfolg und Bequemlichkeit den
Bildnismaler bedrohen. Die meisten erliegen ihnen,
verflachen in der Routine. Es gibt wenige Aus-
nahmen davon. Rayski ist eine von ihnen. Eben
als Kavalier war er zu stolz oder zu bequem, um
aus seinen besten Bildern ein Klischee zu fabri-
zieren. Er malte ein paar Meisterwerke, eine Reihe
von durchschnittlich tüchtigen Bildern und etliches
Minderwertige. Auch bemühte er sich durchaus
nicht um neue Probleme; ihm fehlte der Ehrgeiz,
sich mit der Jugend ringend zu verjüngen. So
ist das Genie in ihm beizeiten schlafen gegangen,
einige Jahrzehnte, ehe er sich selber ein für allemal
zur Ruhe legte. Darum hat er aber keineswegs
das Recht jedes Künstlers verwirkt, nach seinem
Besten beurteilt zu werden. Er lebt in der Ge-
schichte vielleicht nur in einem halben Dutzend
Bildnissen. Diese aber genügen, um ihm einen
ehrenvollen Platz zu sichern; und das unsere zählt
zu ihnen.

Noch ein paar Worte über dies Bild. Das Be-
merkenswerte der Komposition des Ganzen und
Haltung des alten Herrn im Besonderen ist die
Selbstverständlichkeit. Reserviert, ohne steif zu
sein, beherrscht und doch bequem steht er vor
uns — verteufelt elegant in seinem untadelig ge-
schneiderten braunen Frack, in den er die Rechte
geschoben hat, während die behandschuhte Linke
Zylinder und Spazierstock (das Stöckchen unserer
Großväter mit dem berühmten goldenen Knopf)
hält. Es ist nichts Momentanes in seiner Bewe-
gung. Herr Benecke v. Gröditzberg hält nicht
etwa auf einem Spaziergang inne, um mit uns zu
plaudern. Er repräsentiert; allein er tut es ohne
Affektation, vielmehr in der Erfüllung einer Pflicht.

Er steht auch nicht eigentlich in einer Landschaft,
vielmehr vor dem dunkelbraunen Hintergrund eines
Raumes, in dem wir eine Landschaft angedeutet
finden. Links hinten ragt in phantastischen Um-
rissen auf einer Anhöhe die Burg Gröditzberg,
von deren Turm in keckem Schwünge eine Fahne
flattert; der Schloßherr hat hier zurzeit sein Quar-
tier aufgeschlagen. Rechts oben prangt sein Wappen,
das ein merkantiles Symbol dankbar verewigt.

Aus dem allgemeinen Dunkel leuchtet nur das
Gesicht hervor. Von der Wäsche ist nichts sicht-
bar und die eine Hand, die sich zeigt, wird von
grauem Handschuh verhüllt. Nur auf dem Lack
der Stiefel blitzen ein paar weiße Lichtstreifchen.
Das Antlitz wird indessen wirksam hervorgehoben,
gewissermaßen serviert auf einer mächtigen schwar-
zen Atlasbinde, die sich aus dem Westenausschnitt
hervordrängt und durch eine Nadel mit einem aus
Türkisen zusammengesetzten Knopf gebändigt wird.
(Auch das Schmuckstück ist historisch. Damals
war die Perle in der Krawatte noch nicht er-
forderlich.)

Vom seelischen Gehalt der Erscheinung, auf
den bei einem Bildnis freilich nicht wenig an-
kommt, ließe sich etwa sagen, was Leibi einmal
bemerkte; wenn ein Porträt gut gemalt sei, dann
wäre die Seele ohnehin dabei. Wir glauben es
aufs Wort, wenn der Maler auf der Rückseite in
naiver Genugtuung in großen Zügen mit dem
Pinsel geschrieben hat: daß sein Bildnis „sprechend
ähnlich" sei. Der Ausdruck des Gesichtes ist nicht
gerade liebenswürdig, aber er bedeutet Tüchtigkeit,
Pflichtbewußtsein und Selbstgefühl. Herr Benecke
hatte es zu etwas gebracht, 1777 zu Frankfurt a. O.
geboren, ließ er sich in Berlin als Bankier nieder.
Aus den Erträgen seines rasch aufblühenden Ge-
schäftes kaufte er 1822 die Herrschaft Gröditzberg
in Schlesien, deren verfallenen Herrensitz er mit
großen Kosten und vielem Verständnis wieder-
herstellen ließ, woraufhin ihm vom König von
Preußen 1829 der erbliche Adel verliehen wurde. —

6S
 
Annotationen