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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 19.1921

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Heft 3
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Pauli, Gustav: Ernst Matthes: ein Erinnerungsblatt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4746#0121

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hätte er glücklich sein müssen; allein er war es nicht: ein
Mensch von vielen Hemmungen, wie man jetzt zu sagen
liebt, einer, der das Groteske oder Banale überall scharf
empfand, der am Leben und an sich selber litt und doch
dieses Leben liebte. Ein Künstler, der seine Arbeit unter
dem Anschein eines lässigen Daseins verbarg. Über nichts
redete er so ungern, wie über sich selber. So war er durch-
aus einer von denen, die erraten sein wollen, die aber auch
die Mühe des Erratens verlohnen. Früher, vor ein paar
Jahrhunderten, hätte man ihn kurz und gut für einen
Melancholiker erklärt.

hat mehr von ihnen gesehen, als die unsere. Die Kari-
katur wird in der Zukunft vielleicht als das eigenste Ge-
wächs der bildenden Kunst des neunzehnten Jahrhunderts
gelten.

Wenn nun Matthes sich unbekümmert dem Leben einer
Umwelt hingegeben hätte, die solche Begabung begünstigt,
wenn er z. B. abgelöst von allen bourgeoisen Verbindungen
in der Pariser Boheme, die er nicht ungern frequentierte,
sein Leben verbracht hätte, so hätte sein Talent sich un-
gebrochen entfalten mögen. Vielleicht! Der Verzicht auf das
,,Gemälde" verhieß ihm in der Graphik reichlichen Ersatz.

E. MATTHES, STIERGEFECHT. FARBIGE ZEICHNUNG

Die eigentümliche Schwierigkeit seines Menschentums
zeigt uns auch seine Kunst. Wenn man die Reihe seiner Ar-
beiten in der Zeitfolge ihrer Entstehung überblickt, so wird
es deutlich, daß Matthes wesentlich Illustrator war — der
Meister einer Art von satirischen Karikatur. Wenn immer
er dies Gebiet betritt, ist er ganz er selbst, einer von jenen
echten Humoristen, deren Komik auf dem Grunde einer
melancholischen Auffassung des Lebens erwächst. Für
solche Künstler bedeutet das scherzhafte Gestalten die Be-
freiung; der Spott verleiht ihnen die Flügel, mit denen sie
sich vorübergehend über sich selbst und alles, was sie be-
drängt oder irritiert, erheben. Alle wirklich großen Meister
der graphischen Satire sind von dieser Art. Und keine Zeit

Seine Natur befähigte ihn sogar, seinen Platz in der Reihe
unserer besten Illustratoren einzunehmen. Allein er miß-
achtete ihr Geschenk; seine meisten Zeichnungen erschienen
ihm als Spielerei, gut genug um die Familie und die Freunde
zu erheitern. Ehrgeiz und Pflichtgefühl ermahnten ihn,
Aufgaben zu umwerben, deren Lösung Anderen leichter
gelang.

Matthes wurde als der Sohn eines angesehenen Hauses
1878 in Düsseldorf geboren. Die früh sich regende Neigung
zur Kunst begegnete keinerlei häuslichen Schwierigkeiten.
So bezog er denn schon mit fünfzehn Jahren die Akademie
seiner Vaterstadt, die indessen — begreiflicherweise — keine
sichtbare Spur in ihm hinterließ. Es folgten drei Studien-

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