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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 19.1921

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zum Barock. Merklich wendet sich das Interesse diesem
bisher vernachlässigten Gebiete zu. Das Erscheinen des
schönen Goltzius-Bandes ist selbst eines der Zeichen. Aber
erst wenn die Grundbegriffe feste Formulierung gefunden
haben, wird es möglich sein, die Einzelerscheinung mit
Sicherheit zu fassen und ihren historischen Ort zu be-
stimmen. Glaser.

Otto Speckter von F. H. Ehmcke. Mit 104 Abbil-
dungen auf 64 Tafeln. Berlin, Furche-Verlag, 1920.

Neben dem Sachsen Ludwig Richter und dem Öster-
reicher Schwind ist der Niederdeutsche Otto Speckter der
dritte Märchenerzähler in der ersten Hälfte 'des vergangenen
Jahrhunderts, gewiß das bescheidenste Talent unter den
dreien, aber ein Künstler, der besser gekannt zu werden
verdient, als es gemeinhin der Fall ist. Denn er hat in
seinen Fabelbüchern und in seinem „Quickborn" vor allem
Werke hinterlassen, die den glücklichsten Schöpfungen deut-
scher Buchillustration zugezählt werden können. So ist das
Buch, das der bekannte Schriftkünstler F. H. Ehmcke im
Furche-Verlag erscheinen ließ, eine sehr willkommene Gabe,
und die anspruchslose Form der Darbietung, die ein reiches
Abbildungsmaterial mit einer kurzen biographischen Skizze
einleitet und einer von Karl Hobrecker verfaßten, sehr nütz-
lichen Bibliographie beschließt, ist wohl geeignet, dem Ham-
burger Meister zu seinen alten Verehrern neue Freunde zu
werben. Gerade an bibliographischen Arbeiten zur Ge-
schichte der deutschen Holzschnittillustration fehlt es uns
noch sehr. Der monumentalen Veröffentlichung von Vicaire
über die französischen illustrierten Bücher des achtzehnten
Jahrhunderts haben wir kaum einen bescheidenen Versuch
zur Seite zu stellen. Es wäre wohl an der Zeit, das zum
Teil schon recht schwer erreichbare Material zu sichten und
zu sammeln. Für die Kunstgeschichte würde das Ergebnis
nicht unerheblich sein, wie der Speckter-Band zeigt, der auch
dem Kenner manche Bereicherung seines Wissens zu bringen
vermag. Glaser.

Oskar Hagen, Deutsches Sehen. Mit 60 Tafeln.
München, Piper & Co., 1920.

Eugen Lüthgen, Die abendländische Kunst des
15. Jahrhunderts. Mit 68 Abbildungen auf 64 Tafeln.
Bonn-Leipzig, Kurt Schröder, 1920. Preis 14 Mark.

Hermann Ehrenberg, Deutsche Malerei und
Plastik von 1350—1450. Bonn-Leipzig, Kurt Schröder,
1920. Preis 13 Mark.

Untersuchungen, die den nationalen Sondercharakter der
Kunst zum Gegenstand haben, sind bisher von der Kunst-
wissenschaft nicht im gleichen Maße und mit dem gleichen
Erfolge durchgeführt worden wie solche, die den entwicke-
lungsgeschichtlichen Tatsachen des zeitlichen Ablaufs der
Stile nachgehen. Und doch waren das eine so gut wie das
andere Aufgabe einer „allgemeinen Kunstwissenschaft", die
neben der „speziellen" ebenso viel Daseinsrecht besitzt wie
die zwei einander ergänzenden Methoden in irgend einer
naturwissenschaftlichen Disziplin. Die Begriffe des gotischen
Stiles oder des Barockstiles sind soweit geklärt, daß die
Definitionen wenigstens in den Hauptzügen als feststehend

gelten können. Und Wölfflin hat in seinen „Kunstgeschicht-
lichen Grundbegriffen" die konstituierenden Elemente in all-
gemeingültiger Form auseinanderzulegen unternommen. Für
die Definition der Sonderzüge nationaler Kunstcharaktere
fehlt es dagegen vollkommen an analogen Versuchen. Jeder
trägt die Allgemeinvorstellung von deutscher und italieni-
scher Kunst in sich. Alle die Gegensätze, die in ihrer
Evidenz unverkennbar sind, wurden noch niemals auf ihre
begriffliche Formel gebracht.

Es sind jetzt beinahe zur gleichen Zeit zwei Bücher er-
schienen, die das Problem des Nationalcharakters der Kunst
mehr oder minder eindeutig in den Mittelpunkt der Unter-
suchung rücken. Aber Oskar Hagen verwahrt sich von vorn-
herein dagegen, daß sein Werk „als gelehrtes Opus eines
Historikers der Kunst" genommen werde, und Eugen Lüthgen
stellt die Doppelfrage nach dem Zeitstil und seinen natio-
nalen Abwandlungen. So fehlt es beiden Büchern an der
letzten methodischen Klarheit, die Voraussetzung einer ein-
deutigen und zwingenden Lösung sein müßte. Es werden
brauchbare Beobachtungen beigebracht und fruchtbare Ge-
danken entwickelt, aber es kommt nicht zu jener notwen-
digen Klärung der Begriffe, die Voraussetzung einer ein-
wandfreien und allgemein einleuchtenden Grenzsetzung wäre.

Denn alle diejenigen Begriffe, die für die Definition der
Stile sich als brauchbar erwiesen haben, und wie sie Wölfllin
in seinen fünf Gegensatzpaaren kategorisch zusammengefaßt
hat, können nicht anwendbar sein auf die Bestimmung der
nationalen Sonderzüge. Die deutsche Eigenart muß sich
in einem Werke des gotischen Stiles ebenso kundtun wie
in einem solchen der Renaissance. Die Vorstellung der Ro-
mantiker, das deutsche sei identisch mit dem gotischen, hat
sich als irrtümlich erwiesen. Der Nationalcharakter muß
innerhalb jeder Stilform kenntlich werden, sofern er über-
haupt als eine unwandelbare Größe bestimmbar ist.

Ich habe an anderer Stelle einmal die Definition des
Nationalen aus dem Begriff des Kunstcharakters abzuleiten
versucht und als die drei Grundtypen das naturalistische,
das formalistische und das sensualistische Element bezeich-
net. Es mag dahingestellt sein, ob diese Unterscheidung
zur Begründung so komplexer Erscheinungen wie der na-
tionalen Besonderheiten in ihrer Allgemeinheit genügen
kann. In den Hauptergebnissen kommen sowohl Lüthgen
wie Hagen zu ähnlichen Resultaten, aber man gewinnt weder
aus dem Werke des einen noch dem des anderen die Uber-
zeugung, daß mit der im einen Falle kargen, im anderen
verschwommenen Formulierung das entscheidende Wort
in der Frage gesprochen sei.

Daß es in der Kunst Charaktereigenschaften gibt, die
nichts mit Stilformen zu tun haben und sich mit ihnen in
beliebiger Art kreuzen können, dürfte sich beweisen lassen.
Daß diese Charakterzüge in der Bestimmung nationaler
Sonderarten einen wesentlichen Faktor darstellen, ist ebenso
gewiß. Von dieser Erkenntnis hatte eine Untersuchung ihren
Ausgang zu nehmen und sorgfältig daher die Komponenten
des Stiles und des Charakters auseinanderzulegen. Aber es
hätte auch eine reinliche Grenzbestimmung im Sinne der
Kunsttopographie vorauszugehen, die ebenfalls zu den noch
ungelösten Aufgaben der Wissenschaft gehört. Erst wenn
volle Klarheit in methodischer Hinsicht geschaffen ist, läßt

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